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Das verstörende Gespräch zwischen Piers Morgan und Nick Fuentes


Der britische Moderator Piers Morgan konfrontiert den Rechtsextremisten Nick Fuentes – und legt zugleich offen, warum antisemitische Ideologien heute so leicht in den Mainstream driften.

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Das lange Gespräch zwischen dem britischen TV-Moderator Piers Morgan und dem amerikanischen Rechtsextremisten Nick Fuentes zeigt, wie brüchig die Barrieren zwischen radikalen Rändern und öffentlicher Bühne inzwischen geworden sind. Morgan, der sich selbst als Verfechter absoluter Meinungsfreiheit darstellt, holte den bekennenden Holocaustrelativierer, Antisemiten und Anhänger autoritärer Ideologien in seine Sendung, um „seine Positionen besser zu verstehen“. Doch unabhängig von Morgans Absicht offenbart die Begegnung ein grundsätzliches Problem: Ein Mann, der Adolf Hitler offen bewundert, erhält eine Plattform, die weit über sein bisheriges Umfeld hinausreicht.

Bereits zu Beginn des Gesprächs wurde deutlich, dass es hier nicht um politische Differenzen ging, sondern um eine Ideologie, die den Kern europäischer Zivilisation angreift. Morgan konfrontierte Fuentes mit dessen wiederholtem Lob für Hitler. Die Antwort fiel unmissverständlich aus: Er halte Hitler tatsächlich für „cool“. Der Satz selbst ist nicht neu, aber die Selbstverständlichkeit, mit der er wiederholt wurde, zeigt, worin Fuentes’ Attraktivität für Teile der jungen rechten Szene liegt: Provokation als Identitätsangebot, Entmenschlichung als Spiel, historische Verantwortung als Last, die man abwirft, um sich stärker zu fühlen.

Im Gespräch bekannte Fuentes erstmals, dass er „bereit sei, den offiziellen Zahlen zum Holocaust zu glauben“, doch dieser Satz ist weniger Einsicht als rhetorische Nebelgranate. Denn Fuentes machte im selben Atemzug klar, dass nicht das historische Ereignis sein eigentliches Thema sei, sondern sein Kampf gegen Gesetze, die Holocaustleugnung unter Strafe stellen. Für ihn ist die Shoah weniger geschichtliche Realität als Projektionsfläche für den Vorwurf, Juden und Israelis würden das Gedenken „für politische Zwecke nutzen“. Genau diese Verdrehung bildet seit Jahrzehnten den Kern moderner antisemitischer Rhetorik: Das Verbrechen verschwindet, die Täterrolle wird relativiert, und die Opfer werden zu Manipulatoren erklärt.

Morgan versuchte, dem etwas entgegenzusetzen – wenn auch nicht immer mit der Schärfe, die nötig gewesen wäre. Er kritisierte den Mangel an Mitgefühl, das völlige Fehlen menschlicher Perspektive. Doch Fuentes wich nicht zurück. Er beschrieb eine Generation, die keinen Bezug mehr zur Shoah habe und die historische Leere mit Zynismus füllt. In diesem Teil des Gesprächs wurde der Kern der Problematik sichtbar: Nicht die Vergangenheit ist das Problem, sondern die Bereitschaft junger Menschen, sie für Ideologien zu missbrauchen, die sich gegen Juden, Minderheiten und liberale Demokratien richten.

Erstaunlich offen sprach Fuentes darüber, dass sein radikales Weltbild in Israel eine Art Spiegel finde. Dort, so behauptete er, herrsche jene ethnonationalistische Härte, die er für Amerika fordere. Dieses Argument ist durchschaubar: Eine bewusste Fehlinterpretation israelischer Realität, genutzt als Rechtfertigung für ein rassistisches Gesellschaftsmodell. Es ist ein Muster, das man aus vielen extremistischen Milieus kennt – Israel dient als Projektion für Fantasien, die weder mit Demokratie noch mit wirklichem Verständnis für den jüdischen Staat zu tun haben.

Dass Morgan die Auseinandersetzung dennoch suchte, ist verständlich. Wer verhindern will, dass solche Figuren im Verborgenen wachsen, muss ihre Ideologie hörbar machen. Doch jedes Interview mit Fuentes hinterlässt ein Risiko: Die Normalisierung. Dass seine Auftritte inzwischen konservative Thinktanks, republikanische Abgeordnete und große Medienhäuser beschäftigen, zeigt, wie sehr die Grenzen verschoben wurden. Parallel verabschiedeten US-Senatoren eine Resolution, die Fuentes und seine Rhetorik eindeutig verurteilte – ein Schritt, der notwendig war, aber auch zeigt, wie tief der Bruch inzwischen reicht.

Nach der Sendung erklärte Morgan, er habe Fuentes „zur Rechenschaft gezogen“. Doch in der Bilanz bleibt offen, wer von der Begegnung am meisten profitierte. Der Rechtsextremist bekam Reichweite. Der Moderator bekam Aufmerksamkeit. Und der Öffentlichkeit bleibt die Erkenntnis, dass Antisemitismus heute nicht am Rand gedeiht, sondern mitten im politischen Diskurs – getragen von Menschen, die die Geschichte leugnen, bis sie ihnen als Werkzeug dient.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot

Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 10. Dezember 2025

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