„Ihr gebt Israel den Vorwand“ – wie ein arabischer Präsident Hamas offen widersprach
Eine geleakte Tonaufnahme aus dem Jahr 2008 zeigt, wie ungewöhnlich klar ein arabischer Staatschef mit Hamas abrechnet. Ali Abdullah Saleh wirft der Terrororganisation vor, mit Raketen nicht Israel zu treffen, sondern den Palästinensern selbst zu schaden. Die Worte sind alt, ihre Bedeutung ist heute aktueller denn je.

Es ist eine Aufnahme, die nicht ins gängige Narrativ passt. In einem Telefongespräch aus dem Dezember 2008, geführt einen Tag nach Beginn der israelischen Militäroperation „Gegossenes Blei“, erhebt der damalige Präsident des Jemen, Ali Abdullah Saleh, schwere Vorwürfe gegen die Hamas. Nicht Israel steht im Zentrum seiner Kritik, sondern die palästinensische Terrororganisation selbst. Die Raketenangriffe aus Gaza, so Saleh, dienten vor allem einem Zweck: Israel einen Vorwand für militärische Schläge zu liefern – mit verheerenden Folgen für die eigene Bevölkerung.
Die Aufnahme, die nun von einem Huthi-nahen Sender veröffentlicht wurde, dokumentiert ein Gespräch zwischen Saleh und dem damaligen Hamas-Führer Khaled Mashal. Der Ton ist direkt, stellenweise scharf. Saleh spricht nicht diplomatisch, sondern eindringlich. Die Raketen, sagt er, hätten Israel kaum geschadet. Weder Frauen noch Kinder seien dort getroffen worden. Auf palästinensischer Seite hingegen seien binnen kurzer Zeit hunderte Menschen getötet worden. Das sei kein Widerstand, sondern ein Desaster für das eigene Volk.
Saleh appelliert mehrfach an Mashal, die Angriffe einzustellen. Er spricht als jemand, der sich als Bruder versteht, aber keinen Zweifel daran lässt, dass er die Strategie der Hamas für falsch und zerstörerisch hält. Die Raketen hätten kein einziges Problem gelöst, sondern Leid gebracht und die israelischen Luftangriffe provoziert. Seine Worte sind bemerkenswert, weil sie aus dem Mund eines arabischen Präsidenten kommen, der offen ausspricht, was viele in der Region zwar dachten, aber selten sagten.
Besonders scharf kritisiert Saleh, dass die Hamas nach seiner Darstellung die eigene Zivilbevölkerung nicht ausreichend schützt. Er wirft der Organisation vor, keine klaren Anweisungen gegeben zu haben, gefährdete Gebiete zu meiden, obwohl bekannt gewesen sei, welche Ziele Israel angreifen würde. Das Resultat nennt er Massaker. Nicht als Anklage gegen Israel, sondern als Folge einer verantwortungslosen Politik der Hamas-Führung.
Khaled Mashal weist die Vorwürfe nicht grundsätzlich zurück, setzt ihnen jedoch seine bekannte Linie entgegen. Für ihn stehen die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens und die Öffnung der Grenzübergänge im Mittelpunkt. Ohne diese Zugeständnisse, so Mashal, gebe es keinen Raum für Ruhe oder Zurückhaltung. Er lehnt Vermittlungsversuche ab, die nicht die vollständige Aufhebung der Blockade beinhalten, und äußert tiefes Misstrauen gegenüber den Vereinigten Staaten, Ägypten und der palästinensischen Autonomiebehörde.
Der Schlagabtausch macht deutlich, wie unterschiedlich selbst innerhalb der arabischen Welt auf Hamas geblickt wurde. Saleh stellt die Frage, ob der Raketenbeschuss irgendein greifbares Ergebnis gebracht habe. Seine Antwort ist eindeutig. Er spricht von Feuer, das über alle gebracht worden sei, ohne eine Lösung zu schaffen. Mashal hingegen bleibt bei der Argumentation, dass Hoffnung für Gaza nur durch politischen Druck und militärischen Widerstand entstehen könne.
Dass diese Aufnahme gerade jetzt veröffentlicht wird, ist kein Zufall. Die Huthi-Bewegung, die Saleh 2017 tötete, nutzt das Archivmaterial, um sich im Rückblick als konsequenter Verbündeter der Hamas zu präsentieren und zugleich Saleh posthum zu diskreditieren. Der frühere Präsident, der den Jemen über drei Jahrzehnte regierte und während des Arabischen Frühlings gestürzt wurde, soll als jemand erscheinen, der nicht fest genug an der Seite der „Widerstandsachse“ stand.
Doch jenseits der politischen Instrumentalisierung bleibt der Inhalt des Gesprächs bemerkenswert. Ein arabischer Staatschef benennt offen, dass die Strategie der Hamas vor allem den Palästinensern selbst schade. Er spricht aus, dass Raketenbeschuss nicht automatisch Widerstand bedeutet und dass moralische Verantwortung auch gegenüber der eigenen Bevölkerung besteht.
Aus israelischer Sicht unterstreicht die Aufnahme eine Erfahrung, die seit Jahren gemacht wird. Selbst innerhalb der arabischen Welt wurde erkannt, dass Hamas nicht im Interesse der Menschen in Gaza handelt, sondern eigene ideologische Ziele verfolgt, auch um den Preis hoher ziviler Verluste. Die Worte Salehs sind kein israelisches Argument, sondern ein arabisches.
Dass sie heute erneut Gehör finden, zeigt, wie wenig sich an den Grundmustern des Konflikts geändert hat. Raketen werden abgefeuert, Israel reagiert militärisch, und die Zivilbevölkerung in Gaza zahlt den höchsten Preis. Die Aufnahme aus dem Jahr 2008 wirkt deshalb weniger wie ein historisches Dokument, sondern wie ein Echo, das bis in die Gegenwart reicht.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Helene C. Stikkel - Dieses Bild wurde von dem Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten mit der ID 040608-D-2987S-012 herausgegeben.Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen.العربية ∙ বাংলা ∙Bahaso Jambi ∙Deutsch ∙ Deutsch (Sie-Form) ∙ English ∙ español ∙ euskara ∙ فارسی ∙ français ∙ italiano ∙ 日本語 ∙ 한국어 ∙ македонски ∙ മലയാളം ∙ Plattdüütsch ∙ Nederlands ∙ polski ∙ پښتو ∙ português ∙ русский ∙ slovenščina ∙ svenska ∙ Türkçe ∙ українська ∙ 简体中文 ∙ 繁體中文 ∙ +/−, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1209298
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 16. Dezember 2025