Hamas kehrt zurück: Wie der Terror im Schatten der Debatten über den „Tag danach“ erneut die Kontrolle übernimmt


Während Diplomaten über Zukunftsszenarien diskutieren, schafft Hamas längst Fakten: Hinrichtungen, Abgaben auf Waren, Kontrolle über Hilfskonvois und die stille Rückeroberung ganzer Viertel. Für die Bevölkerung bleibt die Waffenruhe ein theoretischer Begriff – für Hamas ist sie ein Zeitfenster.

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Die politischen Runden über die Zukunft des Gazastreifens laufen auf Hochtouren: internationale Entwürfe, amerikanische Modelle, israelische Forderungen, UN-Papiere. Doch während Ausschüsse tagen und Regierungen verhandeln, entsteht vor Ort eine völlig andere Realität. Hamas nutzt jede Stunde der neuen Ruhe, um ihren Griff um die Zivilbevölkerung wieder zu festigen – unauffällig, aber konsequent. Die Terrororganisation, deren militärische und politische Führung im Krieg massive Schläge erlitt, zeigt vor Ort ein anderes Gesicht: sie organisiert sich neu, ernennt Ersatzkader, führt Hinrichtungen durch und setzt wieder Zwangsstrukturen in Gang, die den Alltag der Menschen bestimmen.

Viele Bewohner, die nach Jahren des Krieges wenigstens auf kurze Erleichterung hofften, erleben stattdessen einen Rückfall in alte Verhältnisse. Kein Wiederaufbau, keine funktionierende Verwaltung, kein verlässlicher Schutz – aber dafür neue „Regeln“, neue Abgaben und die alte Angst. Händler berichten von Kontrolle über Waren, Routen und Preise; Zivilisten von Drohungen und gezielten Säuberungsaktionen gegen vermeintliche „Kollaborateure“. Für die Menschen ist die Lage heute kaum stabiler als während der Kämpfe. Für Hamas ist sie dagegen strategisch wertvoll: Sie füllt das Machtvakuum, bevor überhaupt über ein alternatives Verwaltungsmodell entschieden wurde.

Die Berichte aus dem Gazastreifen zeichnen ein einheitliches Bild. In Stadtteilen, die die israelische Armee verlassen hat, tauchten bewaffnete Hamas-Trupps innerhalb weniger Tage wieder auf: nicht als Schattenkrieger, sondern offen auf den Straßen. Anwohner haben Hinrichtungen beobachtet, die angeblich gegen Diebe, politische Gegner oder mutmaßliche Informanten gerichtet waren – ein deutlicher Hinweis, dass die Organisation ihre Kontrolle nicht über Verhandlungen herstellen will, sondern durch Angst. Gleichzeitig versucht Hamas, zivile Dienste wie Müllabfuhr oder Versorgungsposten erneut an sich zu ziehen. Weniger aus Fürsorge, sondern um Deutungshoheit zu gewinnen: Wer steuert die Hilfslieferungen? Wer entscheidet, wo etwas ankommt? Wer verteilt, wer kassiert?

Aus israelischer Sicht ist diese Entwicklung alles andere als nebensächlich. Donald Trump machte die Entmilitarisierung des Gazastreifens zur Grundbedingung seiner 20-Punkte-Strategie. Israel wiederum hat seit Beginn des Krieges erklärt, dass das Ende des Hamas-Regimes nicht verhandelbar ist. Doch auf dem Boden wächst ein Zwiespalt: Die internationale Gemeinschaft diskutiert über Modelle, die langsam vorankommen, während eine Terrororganisation tatkräftig Fakten schafft. Je länger Übergangsmechanismen fehlen, desto tiefer verankert sich Hamas wieder in den Alltag – und desto schwieriger wird es, künftige zivile Strukturen tatsächlich zu etablieren, die nicht von Angst und Erpressung geprägt sind.

Besonders deutlich wird dies an der Zahl der neu eingesetzten Kader. Quellen in Gaza berichten, dass Hamas in den vergangenen Wochen gleich mehrere Posten im Verwaltungsgefüge ersetzt hat – unter anderem Gouverneure und lokale Funktionsinhaber, deren Vorgänger im Krieg getötet wurden. Die Organisation arbeitet sichtbar daran, ihr politisches Rückgrat neu zu knüpfen, bevor irgendein internationaler Plan greifen kann. Dass diese Entwicklung parallel zu massiven humanitären Schwierigkeiten verläuft, ist kein Zufall: Kontrolle entsteht dort, wo Abhängigkeit herrscht. Wer das Mehl kontrolliert, kontrolliert die Menschen. So reduziert sich die politische Debatte in Gaza aus Sicht vieler Bewohner tatsächlich auf „Sack Mehl, Wasser, Feuerholz“ – ein dramatischer Abstieg einer langjährigen nationalen Frage zu puren Überlebensmechanismen.

Israelische Sicherheitsexperten warnen schon länger: Ein Machtvakuum ist niemals neutral. Wenn die Welt wartet, füllt es immer der Stärkste – und im Gazastreifen ist das ohne Gegenkraft Hamas. Dass manche Staaten dennoch über „Stabilisierung“ sprechen, obwohl im Alltag längst Destabilisierung herrscht, zeigt, wie weit politische Wahrnehmung und Realität auseinanderdriften. Die Organisation agiert nicht im Untergrund, sie agiert im Tageslicht. Wer ihre Strukturen beobachtet, erkennt, dass sie sich nicht auf militärische Macht beschränkt, sondern vor allem auf soziale Kontrolle setzt: Preise, Wege, Verteilungen, Genehmigungen, Strafen. All das ist Verwaltung – aber in den Händen einer Terrororganisation.

Auch innenpolitisch sieht Israel die Entwicklung mit zunehmender Sorge. Die Waffenruhe sollte Raum für strategische Entscheidungen eröffnen, doch Hamas nutzt sie als Wiederaufbauphase. Nicht für Gaza – sondern für sich selbst. Dass Zivilisten zugleich berichten, dass der Wiederaufbau ihrer Viertel praktisch nicht begonnen hat, ist kein Zufall. Hamas priorisiert, was ihrer Macht dient, nicht was den Menschen hilft. Dass nach außen von „technokratischer Übergabe“ gesprochen wird, ändert an der Realität wenig: Die Terrororganisation setzt darauf, dass am Ende jeder Plan zusammenbricht, der nicht von ihr selbst kontrolliert wird.

Bis die internationale Gemeinschaft, die UN und regionale Akteure eine klare und umsetzbare Struktur präsentieren, wird sich dieses Muster verstärken. Entscheidungen, die in den kommenden Wochen getroffen werden, bestimmen, ob die nächsten Jahre von Stabilität geprägt sein werden – oder von einer Rückkehr zu jenem Modell, das Gaza über Jahrzehnte in Armut, Angst und Gewalt gefangen hielt. Die Frage ist nicht, ob Hamas ihre Macht zurück will. Die Frage ist, ob irgendjemand gerade verhindert, dass sie sie bekommt.

Autor: Redaktion

Artikel veröffentlicht am: Freitag, 14. November 2025

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