Israels überraschender Schritt: Warum das IDF trotz 1.000 Drohnen und 400 Raketen die Beschränkungen aufhebt


Nach sechs Tagen Krieg gegen den Iran lockert Israel die Regeln an der Heimatfront – trotz tödlicher Angriffe. Was wie ein Widerspruch wirkt, ist in Wahrheit ein strategisch kalkulierter Befreiungsschlag.

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Was tun, wenn man von über 1.000 Drohnen und 400 Raketen angegriffen wurde – und trotzdem beginnt, das öffentliche Leben wieder hochzufahren? Für viele Israelis wirkt die Entscheidung der Armee, die Beschränkungen an der Heimatfront schon jetzt zu lockern, wie ein riskantes Experiment. Aber wer genau hinschaut, erkennt ein anderes Bild: Das israelische Militär handelt nicht aus Leichtsinn, sondern aus einem tiefen Verständnis für Statistik, Psychologie – und strategische Notwendigkeit.

Die nackten Zahlen erzählen eine Geschichte, die der Angst trotzt. Über 400 ballistische Raketen hat das iranische Regime seit Beginn des Krieges auf Israel abgefeuert. Mehr als 1.000 Drohnen wurden in Bewegung gesetzt – eine Attacke, wie es sie in dieser Form noch nie gegeben hat. Doch das Ergebnis dieser beispiellosen Offensive ist, im militärischen Maßstab betrachtet, erstaunlich begrenzt. Weniger als 30 Raketen schlugen in zivilen Gebieten ein. Etwa 25 Todesopfer sind zu beklagen – jeder einzelne Verlust ein tiefer Schmerz, aber weit unter dem, was zu befürchten war. Kein einziger Mensch wurde bislang von einer Drohne getötet.

Rund 600 Menschen wurden verwundet, etwa 4.000 mussten ihre beschädigten Wohnungen verlassen – doch das entspricht wohl nur der Hälfte des Szenarios, für das sich Israels Verteidigungsapparat gewappnet hatte. Die israelischen Luftabwehrsysteme – allen voran „Iron Dome“, „David’s Sling“ und „Arrow“ – haben nicht nur funktioniert, sie haben Geschichte geschrieben. Die Koordination dieser Systeme, unterstützt von amerikanischen Frühwarnsystemen, hat gezeigt: Israel kann selbst gegen massive Angriffe bestehen, ohne die Kontrolle zu verlieren.

Hinzu kommt: Die israelische Luftwaffe hat laut Angaben des Militärs bereits 40 Prozent der iranischen Raketenabschussanlagen zerstört. Ebenso wurden zahlreiche Kommandoeinheiten ausgeschaltet, die zur Koordination größerer Raketenangriffe notwendig wären. Auch das trägt dazu bei, dass iranische Raketen zunehmend vereinzelt, ungenauer und seltener auf israelisches Gebiet treffen. Und selbst dort, wo Abschüsse gelingen, bleibt der Schaden in vielen Fällen begrenzt.

Besonders bemerkenswert ist der Fall der Drohnen: Von den über 1.000 gestarteten Flugkörpern erreichte ein großer Teil nicht einmal Israels Grenze. Rund 800 Drohnen stürzten schon auf dem Weg ab oder wurden frühzeitig abgeschossen – viele von ihnen über Syrien oder dem Irak. Die lange Strecke von etwa 1.500 Kilometern bei niedriger Geschwindigkeit macht die iranischen Kamikazedrohnen zu leichter Beute für Radarsysteme und Abfangjäger.

Was daraus folgt, ist keine Euphorie, sondern ein nüchternes Kalkül. Die IDF hat erkannt, dass der Höhepunkt der Angriffe vorerst überschritten ist. Das bedeutet nicht, dass die Bedrohung vorbei ist – der Iran kann jederzeit erneut zuschlagen. Aber das Militär handelt jetzt nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Die Bevölkerung soll nicht unnötig in Angst gehalten werden, wenn die Daten zeigen, dass viele Maßnahmen ihren Zweck erfüllt haben und nicht mehr überall notwendig sind.

Das Ergebnis ist ein vorsichtig abgestufter Plan zur Wiedereröffnung. In einigen Gebieten dürfen sich wieder 30 Menschen im Freien versammeln, in anderen sogar 50 – und in geschützten Innenräumen bis zu 100 Personen. Das ist kein Freifahrtschein, sondern ein Zeichen von Vertrauen in die eigene Abwehrfähigkeit. Und es ist eine stille Botschaft an den Iran: Ihr könnt uns nicht ewig lähmen.

Bemerkenswert ist auch, dass diesmal nicht – wie so oft – die Grenzregionen am stärksten betroffen sind. Die meisten iranischen Raketen zielten in den vergangenen Tagen auf Tel Aviv und das Zentrum Israels. Das führte zu der paradoxen Situation, dass in einigen südlichen Grenzregionen inzwischen weniger Beschränkungen gelten als im Zentrum des Landes. Die Heimatfrontkommandantur reagiert damit nicht auf Bauchgefühle, sondern auf ein klares taktisches Muster.

Auch religiöse Einrichtungen dürfen schrittweise wieder öffnen, wenn auch unter strengen Auflagen. Für Bildungseinrichtungen hingegen bleibt die Lage weiterhin angespannt. Schulen bleiben vorerst geschlossen – nicht nur wegen der potenziellen Gefahr, sondern auch, weil sie naturgemäß große Menschenansammlungen bedeuten. Einzige Ausnahme: kleine Sonderschulen, die unter kontrollierten Bedingungen arbeiten können.

Diese vorsichtige Rückkehr zur Normalität ist ein Drahtseilakt. Ein einziger tödlicher Angriff könnte die Lockerungen zunichtemachen. Doch Israels Regierung und Militär setzen ein Zeichen: Wir lassen uns nicht dauerhaft in den Bunker zwingen. Die israelische Gesellschaft hat gelernt, mit Gefahr zu leben – und sie zeigt jetzt, dass sie sich nicht von der Angst regieren lässt.

Diese Haltung ist nicht nur pragmatisch, sie ist auch ein moralisches Statement. Gegen ein Regime, das auf Zerstörung setzt, setzt Israel seine Resilienz. Gegen das Streben nach Lähmung setzt es Bewegung. Und gegen die Taktik der Angst setzt es Entschlossenheit.

Autor: Redaktion

Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 18. Juni 2025

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