Erinnerung fast verloren: Wie Sachsens einzige KZ-Gedenkstätte in letzter Minute gerettet wurde
Es war fünf vor zwölf für die Gedenkstätte Sachsenburg. Ohne Millionen aus dem SED-Vermögen wäre ein einzigartiger Erinnerungsort an die frühen NS-Verbrechen verloren gegangen.

Fast wäre eines der wichtigsten Mahnmale nationalsozialistischer Gräueltaten in Sachsen verschwunden – nicht durch Vergessen, sondern durch mangelnde Mittel. Die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenburg stand kurz vor dem Aus. Dass sie nun doch gerettet werden konnte, liegt nicht etwa an langfristiger politischer Verantwortung – sondern an einem akuten Finanzbeschluss in letzter Minute. Und an einer Quelle, die mit historischer Ironie kaum schwerer wiegen könnte: Millionen aus dem früheren Vermögen der SED sichern die Existenz eines Ortes, der an die frühe Gewalt totalitärer Systeme erinnert.
Ein Ort am Rand – und doch zentral für das Gedächtnis
Sachsenburg bei Chemnitz war 1933 eines der ersten Konzentrationslager der Nationalsozialisten – ein frühes Versuchslabor für das System, das später in Buchenwald, Sachsenhausen und Auschwitz zur tödlichen Perfektion ausgebaut wurde. Mehr als 1.000 politische Gegner, vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, wurden hier misshandelt, gedemütigt, gefoltert.
Und doch ist der Ort jahrzehntelang in Vergessenheit geraten. Der Aufbau einer Gedenkstätte begann erst spät – initiiert nicht von staatlicher Stelle, sondern von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Es war ein zähes Ringen um Anerkennung, Aufmerksamkeit und finanzielle Absicherung. Die verfallenen Gebäude, das schweigende Gelände – sie standen sinnbildlich für das gesellschaftliche Verdrängen der ersten Phase der NS-Diktatur.
Politischer Wille – nur auf den letzten Drücker?
Als im Entwurf für den neuen sächsischen Doppelhaushalt kein Geld mehr für die Gedenkstätte vorgesehen war, schlugen Projektverantwortliche Alarm. Ohne eine solide Finanzierung hätte das Projekt gestoppt, womöglich dauerhaft beendet werden müssen. Besonders brisant: Sachsenburg ist die einzige offizielle KZ-Gedenkstätte im Bundesland. Ein Verschwinden wäre ein verheerendes Zeichen gewesen – gerade in Zeiten, in denen historische Verantwortung wieder öffentlich in Frage gestellt wird.
Nun also die Kehrtwende. Das sächsische Kabinett bewilligte 1,46 Millionen Euro aus dem Vermögen der SED – jenem Teil des ehemaligen DDR-Parteivermögens, der heute für gemeinnützige und historische Zwecke verwendet werden darf. Ergänzt wird das durch eine Bundesförderung von bis zu 2,5 Millionen Euro. Damit kann der zweite Bauabschnitt „nahtlos“ beginnen, wie es aus dem Kulturministerium heißt. Fertigstellung: voraussichtlich 2028.
Barbara Klepsch, Sachsens Ministerin für Kultur und Tourismus (CDU), betonte die Bedeutung des Ortes: „Damit ist die Errichtung der Gedenkstätte gesichert.“ Auch Oliver Gerstner, CDU-Bürgermeister der Stadt Frankenberg, nannte es ein „wichtiges Projekt, das der Erinnerung und Aufklärung dient“. Worte, die notwendig waren – aber nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, dass der Einsatz der Zivilgesellschaft entscheidend war.
Die Finanzierung aus SED-Vermögen ist mehr als ein Geldtransfer. Sie steht symbolisch für einen historischen Kreis: Ein Unrechtsregime – wenn auch ein anderes – trägt posthum zur Aufarbeitung eines noch früheren Totalitarismus bei. Es ist ein kleiner, aber bedeutsamer Triumph für die demokratische Gedächtniskultur.
Der Fall Sachsenburg zeigt einmal mehr: Erinnerung ist nichts Selbstverständliches. Sie braucht Orte, Menschen und vor allem den politischen Willen. Die Gefahr liegt nicht nur in der aktiven Verdrängung – sie beginnt mit dem Haushaltsentwurf, der einfach vergisst.
Dass die Gedenkstätte nun weitergebaut wird, ist ein Erfolg. Doch er muss Verpflichtung sein: für dauerhaft gesicherte Finanzierung, für pädagogische Programme, für öffentliche Aufmerksamkeit. Sachsen darf sich nicht damit zufriedengeben, dass ein Ort der Erinnerung knapp gerettet wurde. Er muss zu einem Ort des Lernens, der Auseinandersetzung und der Mahnung werden – besonders für kommende Generationen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Aagnverglaser - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76630240
Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 25. Juni 2025