Der Täter wurde verurteilt – doch der Mutige bleibt allein


Ein Pfarrer wird mit Nacktbildern erpresst. Er zahlt nicht, er zeigt an. Doch wer schützt ihn vor der moralischen Doppelmoral seiner Kirche?

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Ein Jahr und acht Monate auf Bewährung – so lautet das Urteil gegen einen 50-jährigen Mann, der einen katholischen Priester mit intimen Fotos unter Druck gesetzt hatte. Es ist ein klares Urteil – und doch bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Denn während der Erpresser nun frei ist, drohen dem mutigen Pfarrer innerkirchliche Konsequenzen. Nicht, weil er jemanden geschädigt hätte. Sondern weil er offen schwul ist.

Die beiden Männer hatten sich auf der Plattform „Romeo“ kennengelernt. Was dann folgte, war einvernehmlicher Sex – kein Verbrechen, kein Skandal. Nur zwei Erwachsene, die sich trafen. Doch als der Täter Fotos vom Priester speicherte und später 50.000 Euro forderte, begann eine Spirale der Gewalt – nicht körperlich, sondern moralisch. Mit einer Drohung, die viel zu viele queere Menschen kennen: Wir zerstören dein Leben, wenn du nicht bezahlst.

Doch der Pfarrer schwieg nicht. Er zeigte den Mann an – wohl wissend, dass er damit alles riskierte: seinen Ruf, seine Gemeinde, vielleicht auch seine Arbeit. Denn noch immer gilt in weiten Teilen der Kirche ein unausgesprochenes Schweigegelübde über das eigene Begehren. Wer sich outet, riskiert die Ächtung. Wer schweigt, schützt ein System der Heuchelei.

Besonders perfide: Der Täter schickte nicht nur die Nacktbilder an den Geistlichen, sondern auch direkt ans Pfarramt. Es war ein gezielter Versuch, das Leben des Mannes zu zerstören – mit genau den Mitteln, die auch die Kirche selbst jahrzehntelang genutzt hat: Scham, Angst, Doppelmoral. Und dennoch blieb der Pfarrer standhaft.

Vor dem Amtsgericht Augsburg gestand der Angeklagte seine Tat vollständig. Er kam wegen versuchter Erpressung vor Gericht – denn gezahlt hatte das Opfer nicht. Das Gericht sprach eine Bewährungsstrafe aus, der Mann musste 800 Euro an den Malteser Hilfsdienst zahlen. Es ist eine juristische Entscheidung, kein Freispruch.

Und doch bleibt der eigentliche Skandal bestehen: Ein Geistlicher wird erpresst, weil er schwul ist. Er entscheidet sich für Wahrheit statt Schweigegeld – und steht damit mutterseelenallein da. Seine Kirche hat sich bislang nicht öffentlich hinter ihn gestellt. Kein Wort der Solidarität, kein Signal des Rückhalts.

Seine Schwester, die als enge Vertraute gilt, beschreibt in Medienberichten, wie groß die Angst war – nicht nur vor der Erpressung, sondern vor der eigenen Institution. Wer heute als katholischer Priester offen schwul lebt, lebt gefährlich. Nicht wegen der Gläubigen. Sondern wegen der Hierarchie.

Dass die sexuelle Orientierung eines Menschen überhaupt noch zur Erpressung taugt, ist ein gesellschaftliches Armutszeugnis. Dass ein Pfarrer für seine Offenheit mit Isolation und möglicherweise dem Job bezahlen muss, ist eine Schande – nicht für ihn, sondern für die Institution, die angeblich von Nächstenliebe spricht.

Der Täter wurde verurteilt. Doch der eigentliche Preis wird vom Opfer getragen.

Autor: Redaktion

Artikel veröffentlicht am: Samstag, 31. Mai 2025

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