Israel will reden – mit Syrien: Warum Netanyahu auf Trump setzt


Ein dramatischer Wandel im Nahen Osten? Israel erwägt Friedensgespräche mit Syrien – mit Donald Trump als Vermittler. Was hinter dem überraschenden Vorstoß steckt.

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Die Schlagzeile klingt wie ein diplomatisches Märchen aus einer anderen Zeit: Israel sucht den Dialog mit Syrien – und bittet Donald Trump um Vermittlung. Doch laut einem Bericht der US-Nachrichtenseite Axios ist genau das geschehen. Premierminister Benjamin Netanyahu soll über den US-Sondergesandten Tom Barrack direkt an den US-Präsidenten herangetreten sein. Ziel: Sicherheitsgarantien, ein Friedensabkommen – und womöglich ein politischer Durchbruch in einer Region, die seit Jahrzehnten von Gewalt und Misstrauen geprägt ist.

Der Zeitpunkt dieses Vorstoßes ist bemerkenswert. Seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember hat sich die Lage in Syrien grundlegend verändert. Israel kontrolliert den syrischen Luftraum, führt regelmäßig präventive Luftangriffe durch – und hat einen militärischen Puffer zur neuen Regierung in Damaskus errichtet. Diese wird zwar von der Türkei unterstützt, zeigt aber zunehmend Eigenständigkeit. An der Spitze steht Ahmad al-Sharaa, ein einst radikaler Islamistenführer, der nun überraschend gemäßigte Töne anschlägt. Laut einem hochrangigen israelischen Beamten habe sich al-Sharaa als „kooperativer und unabhängig von Ankara“ erwiesen. Eine Entwicklung, die man in Jerusalem genau beobachtet – und als Chance begreift.

Dass ausgerechnet Donald Trump wieder ins Spiel kommt, ist dabei kein Zufall. Trotz aller Kontroversen um seine Person gilt Trump in Israel als verlässlicher Verbündeter – einer, der Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt und die Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet bestätigt hat. Nun, da Washington die Sanktionen gegen Syrien überraschend aufgehoben hat und Trump sich persönlich mit al-Sharaa getroffen hat, wittert Jerusalem eine historische Gelegenheit: den Versuch, Syrien aus der regionalen Achse des Iran-Terrorblocks zu lösen – und langfristig zu einem neutralen, vielleicht sogar freundschaftlichen Nachbarn zu machen.

Ein Ziel, das nicht nur strategisch, sondern auch symbolisch kaum zu überschätzen ist. Denn seit dem letzten ernsthaften Gesprächsversuch im Jahr 2011 sind die Beziehungen zwischen Israel und Syrien vollständig eingefroren. Die Golanfrage, die iranische Präsenz, die Rolle der Hisbollah – all das stand einem Dialog im Weg. Erst der militärische Zusammenbruch des Assad-Systems, der Rückzug Teherans aus Syrien und der Aufstieg eines neuen, weniger berechenbaren, aber nicht eindeutig antiisraelischen Regimes unter al-Sharaa, haben das Kalkül verändert.

Zugleich ist klar: Die Risiken sind enorm. Al-Sharaa ist kein Demokrat. Seine Verbindungen zu islamistischen Gruppen werfen Fragen auf. Die Lage im Land ist fragil, und jede diplomatische Öffnung könnte binnen Stunden durch einen Anschlag, eine Provokation der Hisbollah oder ein neues Eingreifen des Iran zunichte gemacht werden. Doch Netanyahu scheint bereit zu sein, diese Gefahr einzugehen. Auch, weil er weiß, dass Trump in dieser Gemengelage der einzige sein könnte, der auf beiden Seiten Gehör findet. Nicht als neutraler Vermittler – sondern als Machtfaktor, dem selbst Damaskus nicht widersprechen kann, wenn er etwas durchsetzen will.

Ein echter Friedensprozess mit Syrien ist deshalb noch lange nicht in Sicht. Aber das politische Signal, das von dieser Initiative ausgeht, ist klar: Israel sucht den Dialog, nicht die Konfrontation – aber nur unter Bedingungen, die seine Sicherheit und seine Souveränität garantieren. Und es ist bereit, dafür auch ungewöhnliche Wege zu gehen. Selbst wenn sie durch das Weiße Haus von Donald Trump führen.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Foreign and Commonwealth Office - Prime Minister Netanyahu, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49881693

Artikel veröffentlicht am: Donnerstag, 12. Juni 2025

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