Brandanschlag in Melbourne: Warum das Urteil mehr Fragen aufwirft als beantwortet


Ein Mann zündet die Tür einer Synagoge an, während Gläubige beim Schabbat-Essen sitzen – und ein Gericht entscheidet, es habe keinen antisemitischen Hintergrund gegeben. In einer Zeit, in der Hassvorfälle überall zunehmen, wirkt dieses Urteil wie ein gefährlicher blinder Fleck.

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Die Tat war eindeutig lebensgefährlich: Am Abend des 4. Juli übergoss der 35-jährige Angelo Loras die Eingangstür der East Melbourne Synagogue mit einer brennbaren Flüssigkeit und setzte sie in Brand. Rund zwanzig Menschen befanden sich im Gebäude, als sich die Flammen ausbreiteten. Nur weil die Tür dem Feuer standhielt und die Feuerwehr schnell eintraf, wurde niemand verletzt.

Loras bekannte sich schuldig – wegen Brandstiftung und der Gefährdung von Menschenleben. Doch der australische Magistrat entschied nun, die Tat sei nicht antisemitisch motiviert, sondern Resultat einer unbehandelten Psychose. Die Begründung: Loras habe seine Medikamente aufgrund einer schizophrenen Erkrankung nicht genommen und sei in einem Zustand der „furchtbaren Verwirrung“ gewesen. Er habe geglaubt, das Gebäude sei ein Wohnhaus. Für die jüdische Gemeinde bleibt dennoch ein schmerzhafter Eindruck zurück – und ein Urteil, das in seiner Signalwirkung kaum zu unterschätzen ist.

Denn die Tat ereignete sich nicht im luftleeren Raum. Australien erlebte seit dem Terrorangriff der Hamas im Jahr 2023 einen drastischen Anstieg antisemitischer Vorfälle. Die Polizei registrierte Angriffe, Einschüchterungen und Sachbeschädigungen, die sich gezielt gegen jüdische Einrichtungen richteten. Regierung und Sicherheitsdienste hatten zunächst auch diesen Brandanschlag als klaren Ausdruck des Judenhasses bewertet. Premierminister Anthony Albanese selbst sprach einen Tag nach dem Feuer von einem „feigen“ antisemitischen Angriff, der kein Teil der australischen Gesellschaft sein dürfe.

Dass das Gericht nun den politischen Kontext ausklammert, irritiert viele Beobachter. Die Verantwortung eines Gerichts besteht darin, die individuelle Schuld juristisch korrekt einzuordnen. Doch ebenso zentral ist die Frage, wie der Staat seine Minderheiten schützt. Wer eine Synagoge anzündet, während Gläubige darin sitzen, berührt zwangsläufig die historische Erfahrung jüdischer Gemeinschaften – und die gesellschaftliche Verantwortung, solche Taten klar zu benennen. Die Entscheidung des Gerichts mag medizinisch begründet sein, aber sie blendet die Wirkung der Tat aus: Angst, Verunsicherung und die erneute Erinnerung daran, dass jüdische Einrichtungen immer noch Zielscheiben sind.

Die Sorge wächst, weil es nicht bei diesem Fall bleibt. Australien hatte erst vor kurzem eine Serie anderer Angriffe erlebt, die eindeutig antisemitisch motiviert waren. Sicherheitsbehörden machen den iranischen Revolutionsgarden verantwortlich für Brandanschläge auf eine Synagoge in Melbourne und ein koscheres Geschäft in Sydney. Beide Gebäude wurden schwer beschädigt. In derselben Woche, in der Loras vor Gericht stand, griffen vermummte Aktivisten ein israelisches Restaurant an, warfen Mobiliar um und riefen „Tod der IDF“. Einen Tag später wurde ein weiteres jüdisches Geschäft beschmiert und mehrere Fahrzeuge angezündet.

Dieser Kontext zeigt, wie gefährlich die Lage geworden ist. Brandanschläge kommen nicht aus dem Nichts. Sie treffen jüdische Gemeinden, die weltweit seit Jahren unter steigendem Druck stehen. Wenn Gerichte bei solchen Taten den antisemitischen Bezug als nebensächlich einstufen, entsteht ein gesellschaftliches Problem: Opfer erleben die Realität des Hasses, während die Justiz ihn im Einzelfall nicht erkennt. Das schwächt nicht nur den Schutz der Gemeinschaft, sondern auch das Vertrauen in staatliche Institutionen.

Australien hat historisch ein starkes Bekenntnis zu religiöser Freiheit und gesellschaftlicher Vielfalt. Doch dieses Fundament braucht einen klaren Schutz vor Gewalt – und eine Justiz, die versteht, dass Juden nicht nur Opfer individueller Straftäter sind, sondern einer spezifischen Form der Bedrohung ausgesetzt bleiben. Die Entscheidung im Fall Loras mag formal juristisch korrekt sein, aber sie ist in ihrer öffentlichen Wirkung fehlleitend. Sie sendet ein Signal, das in Zeiten wachsender Radikalisierung nicht übersehen werden sollte.

Denn die zentrale Frage bleibt: Wie sieht ein Staat jüdische Sicherheit – als Pflicht oder als Nebenbemerkung? Die Antwort entscheidet darüber, wie ernst die Gesellschaft den Schutz ihrer Minderheiten nimmt. Und genau daran wird Australien sich nach diesem Urteil messen lassen müssen.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot X

Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 25. November 2025

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