Antisemitismus als Unterhaltung – und Twitchs gefährliche Blindheit


Ein US-Streamer verhöhnt Juden, zeigt Hitlergrüße und schwenkt Nazi-Flaggen – und trotzdem erhielt er von Twitch eine Einladung zu einem Partnerschaftsgespräch. Der Fall zeigt: Die Plattform verspricht klare Regeln, scheitert aber bei deren Durchsetzung. Für jüdische Menschen wird das Netz so zum Raum alltäglicher Bedrohung.

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Cameron Jordan, der sich online „Cuffem“ nennt, hat in den vergangenen Monaten die Grenzen des Sagbaren gezielt überschritten. In seinen Livestreams verspottete er orthodoxe Juden, setzte sich mit falschen Schläfenlocken vor die Kamera, imitierte antisemitische Karikaturen, zeigte wiederholt den Hitlergruß und schwenkte eine Nazi-Flagge, die er zynisch als sein „Logo“ bezeichnete.

Seine Worte waren ebenso klar wie verstörend: Er rief zur Vernichtung Israels auf, fabulierte von „60.000 Atomschlägen gegen Juden“ und beschimpfte Nutzerinnen und Nutzer in Streams mit Millionenreichweite als „f***ing Jew“ – untermalt von aggressiven Gesten, Nazi-Symbolik und Gewaltfantasien. Er erklärte, er hoffe, dass Israel „vom Erdboden verschwinden“ werde, und inszenierte sich dabei als Provokateur, der Antisemitismus in Entertainment verwandelt.

Die fatale Einladung von Twitch

So widerwärtig Jordans Auftritte waren, noch erschreckender war die Reaktion der Plattform. Am 24. September, nur einen Tag nach einem Stream, in dem Jordan eine Nazi-Flagge schwenkte, erhielt er nach eigenen Angaben eine E-Mail eines Twitch-Partnerschaftsdirektors. Inhalt: eine Einladung zu einem Gespräch.

Twitch beeilte sich, zu relativieren. Man habe ihn nicht „rekrutieren“ wollen, sondern zu einem Gespräch über die Richtlinien einladen. Doch die Symbolik bleibt fatal: Ein Streamer, der offen den Holocaust verharmlost und zur Vernichtung Israels aufruft, wird nicht sofort gesperrt, sondern kontaktiert. Das untergräbt jede Glaubwürdigkeit der Plattform.

Die Regeln sind eigentlich eindeutig. Twitch untersagt die Darstellung von Nazi-Symbolen, verbietet Hassrede, Hetze und Aufrufe zu Gewalt. Doch der Fall Jordan zeigt, wie wenig diese Richtlinien im Ernstfall wert sind. Statt Härte zu zeigen, setzt Twitch auf Beschwichtigung – und sendet damit ein Signal, das Antisemiten ermutigt und Jüdinnen und Juden verunsichert.

Antisemitismus als Massenphänomen im Netz

Jordan ist kein Einzelfall. Auf Twitch, Kick, YouTube oder TikTok gehört Antisemitismus längst zum Repertoire vieler sogenannter „edgy“ Content-Creator. Er wird getarnt als „Satire“, als „Provokation“ oder als „Ironie“ – doch die Bilder sind altbekannt: Karikaturen aus der Nazizeit, Lügen über jüdische Macht und Gewaltfantasien gegen Israel. Millionen junger Nutzer sehen diese Inhalte. Sie lachen, teilen, liken – und verinnerlichen damit antisemitische Denkmuster, die seit Jahrhunderten tödlich sind.

Die Folgen sind messbar. Antisemitische Straftaten erreichen in Europa und den USA Rekordhöhen. Synagogen brauchen Polizeischutz, jüdische Familien halten ihre Identität im Alltag verborgen, Kinder trauen sich nicht mehr mit Kippa oder Davidstern auf die Straße. Währenddessen verdienen Tech-Konzerne Geld an Klicks, die von Hass generiert werden.

Wachsende politische Aufmerksamkeit

Die Politik beginnt, darauf zu reagieren. Twitch-CEO Dan Clancy ist für den 8. Oktober vor den US-Kongress geladen. Thema: Radikalisierung und politisch motivierte Gewalt auf Plattformen. Der Fall Cameron Jordan dürfte dabei nicht zu übergehen sein.

Doch es braucht mehr als Anhörungen. Solange Plattformen ihre eigenen Regeln nicht konsequent durchsetzen, bleiben Lippenbekenntnisse wertlos. Antisemitismus darf nicht relativiert, verharmlost oder als „Content“ durchgewunken werden. Er verlangt sofortige Konsequenzen: dauerhafte Sperren für Täter, Strafverfolgung bei Gewaltaufrufen, Transparenz über Algorithmen, die Hass verstärken.

Es zeigt, wie schnell Antisemitismus zu einem Geschäftsmodell wird – und wie bereitwillig Plattformen wegsehen, solange Reichweite und Klickzahlen stimmen.

Wer Hitler feiert, Israel die Vernichtung wünscht und Juden beleidigt, darf keine Bühne, kein Publikum und schon gar keine Partnerschaft von globalen Tech-Konzernen erhalten. Alles andere macht die Plattformen zu Komplizen.

Die Verantwortung liegt klar: Wer Antisemitismus duldet, befördert ihn. Wer ihn nicht unterbindet, trägt dazu bei, dass das Netz für Juden kein Raum der Freiheit, sondern einer ständigen Bedrohung bleibt.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot

Artikel veröffentlicht am: Freitag, 3. Oktober 2025

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