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Yossi Cohen und das Machtversprechen der Geheimnisse


Er war Israels sichtbarster Schatten. Nun spricht der ehemalige Mossad Chef offen über Operationen, Macht, Eitelkeit und politische Ambitionen. Sein Buch zeigt einen Mann, der überzeugt ist, dass Wissen Kontrolle bedeutet.

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Als Yossi Cohen im September sein Buch The Sword of Freedom veröffentlichte, war schnell klar, dass dies kein gewöhnlicher Memoirenband eines ehemaligen Geheimdienstchefs werden würde. Cohen öffnet Türen, die in Israel traditionell verschlossen bleiben. Nicht vollständig, nicht leichtfertig, aber weit genug, um einen Blick auf eine Persönlichkeit zu erlauben, die Israels Sicherheitsapparat über Jahre geprägt hat wie kaum eine andere.

Was aus den Seiten spricht, ist vor allem eines: Selbstgewissheit. Cohen beschreibt sich als jemanden, für den Unwissenheit kein akzeptabler Zustand ist. Diese Haltung unterscheidet ihn von vielen seiner Vorgänger. Wo andere Geheimdienstchefs Zurückhaltung kultivierten, tritt Cohen mit dem Anspruch auf, alles wissen zu müssen und alles wissen zu können. Für ihn war der Kampf gegen Irans Atomprogramm nie eine Frage des Ob, sondern nur des Wie viel Risiko ist politisch genehmigt.

Diese Überzeugung war kein leeres Pathos. Während seiner Amtszeit gelangen dem Mossad spektakuläre Operationen gegen Teherans nukleare Infrastruktur. Die Beschaffung des iranischen Atomarchivs im Jahr 2018 gilt bis heute als eine der kühnsten Geheimdienstaktionen der Moderne. Cohen schildert nun erstmals, wie mühsam und vielschichtig der Weg dorthin war. Keine einzelne Quelle, kein genialer Zufall, sondern das Zusammensetzen zahlreicher Mosaiksteine aus Überwachung, menschlichen Quellen und technischer Aufklärung führte zum Ziel.

Gleichzeitig zeigt das Buch einen Mann mit scharfen Kanten. Cohen war ein brillanter Rekrutierer, charismatisch, aufmerksam, oft faszinierend im persönlichen Gespräch. Doch diese Nähe hatte eine Kehrseite. Journalisten, politische Entscheidungsträger und selbst enge Weggefährten berichten von plötzlichen Stimmungsschlägen. Loyalität erwartete er bedingungslos. Kritik duldete er kaum. Diese Mischung aus Charme und Härte machte ihn zu einem effektiven Geheimdienstchef, aber auch zu einer schwierigen politischen Figur.

Zwischen Geheimdienst und Machtanspruch

Besonders deutlich wird dies in seinem Verhältnis zu Benjamin Netanyahu. Lange galt Cohen als natürlicher Erbe des politischen Lagers des Premiers. Netanyahu selbst nannte ihn einst öffentlich als möglichen Nachfolger. Doch diese Nähe zerbrach. Cohen wirft Netanyahu vor, Warnungen ignoriert, die Justizreform verantwortet und das Land in eine tiefe innere Krise geführt zu haben. Vor allem die Ereignisse rund um den 7. Oktober belasten das Verhältnis bis heute.

Cohens Kritik ist teils sachlich, teils persönlich. Er betont seine klare Unterstützung für den Wehrdienst ohne weitreichende Ausnahmen und glaubt, die Geiselfrage hätte schneller gelöst werden können. Gleichzeitig spürt man die Enttäuschung eines Mannes, der sich um seine politische Zukunft gebracht sieht.

Tatsächlich blieb der Schritt in die Politik bislang aus. Umfragen zeigten zeitweise großes Potenzial für eine eigene Partei. Doch Cohen zögerte. Heute wirkt sein politisches Momentum verbraucht. Neue Figuren haben den Raum besetzt, den er offen ließ. Seine Fähigkeiten als Geheimdienstler übersetzten sich nicht automatisch in politische Macht.

Internationale Bühne und kalkulierte Nähe

Ein weiterer zentraler Teil des Buches ist Cohens internationale Rolle. Er schildert enge Arbeitsbeziehungen zu Staatschefs und Sicherheitsberatern weltweit. Besonders positiv äußert er sich über Donald Trump, den er als unkonventionellen, aber entschlossenen Partner Israels beschreibt. Trump habe auf seine Warnungen gehört, den Iran Deal verworfen und den Weg für die Abraham Abkommen freigemacht.

Auch seine Begegnungen mit Wladimir Putin beschreibt Cohen mit bemerkenswerter Offenheit. Er bewundert dessen strategisches Denken, verurteilt jedoch gleichzeitig den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Für Cohen ist diese Ambivalenz kein Widerspruch, sondern Teil einer nüchternen sicherheitspolitischen Realität. Israel müsse mit Machtzentren sprechen, nicht sie moralisch isolieren.

Ein Mann zwischen Vergangenheit und Zukunft

Am Ende bleibt das Porträt eines Mannes, der im Verborgenen aufblühte und im Licht der Politik zögerte. Yossi Cohen ist überzeugt, dass Geheimwissen Macht schafft. Doch außerhalb der abgeschotteten Welt des Mossad gelten andere Regeln. Öffentlichkeit, Kompromisse, Geduld sind dort entscheidend.

Ob Cohen noch einmal eine zentrale Rolle spielen wird, ist offen. Sein Buch wirkt wie der Versuch, die eigene Geschichte zu kontrollieren, bevor andere sie schreiben. Es ist zugleich Rechtfertigung, Warnung und Vermächtnis.

Sicher ist nur eines: Die Schatten, aus denen Yossi Cohen kam, haben Israel geprägt. Ob sie ihm selbst noch einmal den Weg an die Spitze ebnen, bleibt fraglich.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: By IDF Spokesperson"s Unit, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90728391

Artikel veröffentlicht am: Sonntag, 28. Dezember 2025

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