Israelisches Parlament stimmt für Souveränität in Judäa und Samaria
Die Knesset stimmte überraschend für zwei Gesetzentwürfe zur Ausweitung der israelischen Souveränität in Judäa und Samaria. Während die Opposition von nationaler Pflicht spricht, warnt die Regierung vor diplomatischen Schäden – und versucht, Kontrolle über das politische Beben zu behalten.

Mit knapper Mehrheit nahm das Parlament zwei Initiativen an, die eine Ausweitung der israelischen Souveränität auf Teile von Judäa und Samaria vorsehen. Die Vorschläge stammen von Avi Maoz und Avigdor Lieberman – beide aus der Opposition, beide getragen vom erklärten Ziel, die „historische Verantwortung Israels für sein Land“ zu untermauern.
Doch der Weg zu dieser symbolträchtigen Entscheidung war chaotisch. Teile der Regierungskoalition blieben der Abstimmung fern, Premierminister Benjamin Netanjahu hatte ausdrücklich davor gewarnt, „ausgerechnet jetzt“ über diese Fragen zu entscheiden – inmitten sensibler Gespräche mit Washington über den Wiederaufbau Gazas und die Umsetzung des Trump-Friedensplans. Trotzdem stimmte Yuli Edelstein vom Likud entgegen der Parteilinie zu. Seine Begründung: „Ribonut ist Gebot der Stunde.“
Die Likud-Führung reagierte scharf und warf der Opposition vor, „bewusst Israels Verhältnis zu den USA zu untergraben“. In einer Stellungnahme hieß es: „Echte Souveränität erreicht man nicht durch Schaufenstergesetze, sondern durch kluge Diplomatie, wirtschaftliche Stärke und faktische Präsenz vor Ort – wie in Jerusalem und auf den Golanhöhen.“
Zwischen Überzeugung und politischem Kalkül
Tatsächlich ist der Konflikt weniger juristisch als strategisch. Die Souveränitätsfrage berührt die Grundpfeiler israelischer Staatlichkeit: Selbstbestimmung, Sicherheit, Anerkennung. Doch sie wirft zugleich die Frage auf, wann und wie nationale Ziele politisch sinnvoll durchsetzbar sind.
Lieberman sprach in seiner Rede von „breitem nationalem Konsens“, insbesondere für Gebiete wie Ma’ale Adumim, Ariel, Gusch Etzion und das Jordantal – Orte, die nach seinen Worten „unstrittig israelisch“ seien. Maoz wiederum bezog sich auf religiöse und historische Begründungen und sprach von einem „Akt nationaler Wiederherstellung“.
Premierminister Netanjahu jedoch bleibt bei seiner Linie: Die Zeit für formale Souveränität sei „noch nicht reif“. Priorität habe derzeit die Entwaffnung der Hamas, die Stabilisierung der Region und die Sicherung der strategischen Beziehungen zu den USA. In Regierungskreisen heißt es, Washington beobachte die Entwicklungen mit „großem Unbehagen“, insbesondere angesichts der sensiblen Gespräche über die Nachkriegsordnung in Gaza.
Symbolische Abstimmung – reale Folgen
Was als „Show-Abstimmung“ begann, könnte politische Folgen haben. Schon jetzt nutzen antiisraelische Stimmen in Europa und bei den Vereinten Nationen das Votum, um Israel „Expansionspolitik“ zu unterstellen. Zugleich zeigt die Debatte im eigenen Land, dass die Frage der Souveränität nicht länger nur ideologisch ist – sie ist zu einer Machtprobe zwischen Loyalität und Überzeugung geworden.
Aus israelischer Perspektive bleibt eines klar: Die Diskussion über Souveränität in Judäa und Samaria ist kein Ausdruck von Übermut, sondern Teil eines jahrzehntelangen Ringens um Selbstbestimmung. Doch wer dieses Ziel erreichen will, muss klug taktieren, um es nicht durch politische Kurzschlüsse zu gefährden.
Netanjahus Regierung steht damit vor einem Balanceakt: nationale Rechte bekräftigen, ohne strategische Allianzen zu gefährden. Ein Drahtseilakt, der Israels Stärke nicht schmälert – sondern ihre politische Reife prüfen wird.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 22. Oktober 2025