Mehr Lastwagen, mehr Übergänge – aber für wen? Israels humanitärer Drahtseilakt mit der EU


Zwischen internationalem Druck und realer Bedrohung: Warum Israels neue Hilfsmaßnahmen für Gaza mehr sind als nur eine politische Geste

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Israel steht erneut im Kreuzfeuer der internationalen Öffentlichkeit. Auf der einen Seite tobt ein Kampf gegen eine terroristische Organisation, die seit über zwanzig Jahren das Leben im Süden Israels zur Hölle macht. Auf der anderen Seite steht die Forderung nach humanitärer Hilfe für eine Zivilbevölkerung, die unter dieser Herrschaft leidet – und oft von ihr als menschliches Schutzschild missbraucht wird. In diesem Spannungsfeld hat sich Israels Regierung nun mit der Europäischen Union auf „signifikante Schritte“ verständigt, um die humanitäre Versorgung im Gazastreifen zu verbessern.

Kaja Kallas, die neue Außenbeauftragte der EU, verkündete am Donnerstag gemeinsam mit Israels Außenminister Gideon Sa’ar: mehr Hilfslieferungen, neue Übergänge, alternative Routen. Eine politische Kehrtwende? Ein taktischer Schritt? Oder eine strategische Gratwanderung, die Israels humanitäre Prinzipien mit sicherheitspolitischem Realismus zu verbinden versucht?

Israel öffnet neue Wege – aber nicht die Augen vor der Realität

Die Entscheidung fiel offenbar nicht leicht. Erst vergangenes Wochenende tagte das israelische Sicherheitskabinett, um die Maßnahmen zu beschließen. Die Zahl der Lkw mit Hilfsgütern soll deutlich steigen, sowohl im Norden als auch im Süden Gazas werden neue Übergänge geöffnet, Routen über Ägypten und Jordanien wieder aktiviert. Doch bei allem guten Willen – niemand in Jerusalem glaubt ernsthaft, dass dies ein einfacher Weg wird.

Denn seit der Gründung der von Israel und den USA unterstützten Gaza Humanitarian Foundation (GHF) steht jede Hilfslieferung unter dem Verdacht, in die falschen Hände zu geraten. Genau hier setzt Israels Hauptbedenken an: Wie stellt man sicher, dass Mehl, Medizin und Diesel nicht bei Hamas-Kämpfern landen, sondern bei den hungernden Kindern, den verwundeten Müttern, den entwurzelten Familien?

Außenminister Sa’ar machte deshalb unmissverständlich klar: Jede Ausweitung der Hilfe stehe unter dem Primat der Sicherheit. „Diese Maßnahmen dienen dem humanitären Ziel – aber ohne Kompromisse bei der Kontrolle. Hamas darf keinen Nutzen aus diesen Lieferungen ziehen.“

Europas Spagat zwischen Druck und Partnerschaft

Für die EU ist die Einigung mit Israel ein diplomatischer Balanceakt. Kaja Kallas, gerade erst ins Amt gekommen, betonte, dass „Hilfe in großem Maßstab direkt bei der Bevölkerung ankommen“ müsse – und nicht durch die Finger einer Terrororganisation rinnen dürfe. Mit dem heutigen Schritt will Brüssel zeigen, dass es möglich ist, Israel zu kritisieren und mit Israel zu kooperieren.

Doch der Ton wird rauer. Über 100 NGOs, darunter Human Rights Watch und Amnesty International, forderten im Juni die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel – ein politischer Sprengsatz, der bislang von Berlin abgewehrt, von Madrid jedoch unterstützt wurde. Die Europäische Kommission selbst vermeidet bislang klare Worte. Faktisch ist man auf Kooperationskurs, auch weil Israel mit einem Handelsvolumen von über 48 Milliarden Euro der wichtigste Partner im Nahen Osten ist.

Dennoch: Die Geduld in Europa ist endlich. Brüssel fordert nicht nur mehr Hilfsgüter – sondern auch ein Ende des Krieges. Die EU ruft weiterhin zu einem „sofortigen Waffenstillstand“ auf, verbunden mit der Freilassung aller Geiseln. Forderungen, die in Jerusalem bestenfalls als naiv, schlimmstenfalls als gefährlich gelten – solange die Hamas sich nicht entwaffnet und unterwirft, bleibt ein Frieden reine Illusion.

Ein humanitäres Fenster – und was wirklich auf dem Spiel steht

Was also steht hinter dem plötzlichen Schulterschluss zwischen Israel und der EU? Taktik? PR? Oder ein Moment der strategischen Einsicht? Die Wahrheit ist: Israel will und muss zeigen, dass es möglich ist, Terror zu bekämpfen und gleichzeitig Menschlichkeit zu wahren. Wer Israel unterstellt, bewusst eine humanitäre Krise herbeizuführen, verkennt die Realität.

Denn Israel zahlt einen hohen Preis für jede humanitäre Geste. Jeder Lkw, der über die Grenze fährt, ist ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Jedes Liter Diesel, das für ein Krankenhaus bestimmt ist, kann in den Tanks eines Hamas-Generators landen. Jeder Übergang kann zur Zielscheibe für Terroranschläge werden.

Und doch: Israel tut es. Nicht, weil es muss – sondern weil es will. Weil der jüdische Staat weiß, dass Menschlichkeit eine der stärksten Waffen gegen Zynismus, Terror und Verrohung ist. Genau das unterscheidet Israel von seinen Feinden.

Die jetzt beschlossenen Maßnahmen werden nicht die Kritik beenden, nicht den Krieg stoppen und schon gar nicht den Hass auflösen, der sich in internationalen Foren gegen Israel entlädt. Aber sie senden ein Signal – an Europa, an die arabische Welt, an die Palästinenser: Israels Hand bleibt ausgestreckt. Ob sie ergriffen wird, liegt nicht allein in Jerusalems Macht.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF

Artikel veröffentlicht am: Samstag, 12. Juli 2025

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