Verhandeln mit Mördern – weil Israels Geiseln keine Zeit mehr haben
Die Entscheidung ist gefallen: Ein israelisches Verhandlungsteam wird nach Doha reisen, um mit Hamas über die Freilassung der verbliebenen Geiseln zu sprechen.

Israels Geduld ist am Ende, und doch bleibt keine andere Wahl. Während draußen auf den Straßen von Tel Aviv Mütter weinen und Brüder verzweifeln, bereitet sich ein hochrangiges israelisches Verhandlungsteam darauf vor, nach Doha zu fliegen. Der Auftrag: Reden mit dem Feind – im Namen derer, die seit Monaten in dunklen Kellern der Hamas gefangen gehalten werden. Noch in der Nacht zum Sonntag oder spätestens morgen soll der Flug gehen. Ein letzter Versuch, einen Deal zu schließen, der die verbliebenen Geiseln lebend zurückbringt.
Nach israelischen Medienberichten liegt ein überarbeiteter Vorschlag auf dem Tisch – vermittelt durch die USA und abgestimmt mit Katar. Die Terrororganisation Hamas hat demnach ihre Bereitschaft erklärt, über den Deal zu verhandeln. Angeblich sei auch innerhalb der palästinensischen Fraktionen Einigkeit über eine „positive Antwort“ auf den Vorschlag erzielt worden. Doch was heißt das wirklich – und wie viel Zeit bleibt?
Der Preis der Hoffnung: Ein fragiles Abkommen auf dem Verhandlungstisch
Das Papier, das nun verhandelt wird, ist nichts weniger als ein diplomatischer Drahtseilakt zwischen Ethik, Realpolitik und Schmerz. Der US-Vorschlag sieht eine 60-tägige Feuerpause vor – im Gegenzug sollen insgesamt 10 lebende Geiseln sowie die Überreste von 18 getöteten Geiseln freigelassen werden.
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Tag 1: Acht lebende Geiseln sollen heimkehren.
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Tag 7: Die Überreste von fünf Toten werden übergeben.
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Tag 30: Weitere fünf Leichname sollen folgen.
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Tag 50: Zwei noch lebende Geiseln sollen freikommen.
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Letzter Tag: Acht weitere tote Geiseln sollen übergeben werden.
Diese kalte Taktung macht schmerzlich deutlich, was es heißt, mit der Hamas zu verhandeln: Es ist ein Geschäft mit der Ungewissheit, ein Deal mit denen, die am 7. Oktober über 250 Menschen verschleppt und 1.200 Zivilisten massakriert haben – Frauen, Kinder, Alte.
Doch für die Familien zählt nur eines: Leben retten. Jede Minute Krieg kostet Leben – sowohl unter den Geiseln als auch unter israelischen Soldaten. Das sagen auch Angehörige wie Einav Zangauker und Yotam Cohen, die zuletzt eindringlich einen Waffenstillstand forderten – nicht aus Schwäche, sondern aus Verantwortung.
Was steht auf dem Spiel?
Die Hamas, die sich gegenüber Vermittlern in Katar verbal kompromissbereit zeigt, bleibt zugleich ein unberechenbarer Gegner. Der Deal verlangt von ihr:
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Gesundheit und Sicherheit der Geiseln während der Feuerpause.
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Detaillierte Informationen zum Zustand aller noch verbliebenen Gefangenen bis zum 10. Tag des Waffenstillstands.
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Zugeständnisse bei der Verteilung humanitärer Hilfe durch UN-Organisationen und den Roten Halbmond.
Israel hingegen soll Informationen über alle seit dem 7. Oktober aus Gaza festgenommenen Palästinenser liefern, sowie über die in Israel verwahrten Leichname aus Gaza.
Militärisch würde der Deal eine vollständige Feuerpause bedeuten – keine Luftschläge, keine Bodenoffensiven. Tagsüber soll der israelische Luftraum über Gaza für zehn Stunden täglich ruhen, an Tagen mit Austauschaktionen sogar für zwölf Stunden.
Was passiert, wenn der Deal scheitert?
Die große Frage bleibt: Was, wenn Hamas erneut taktiert, hinauszögert, in letzter Minute Forderungen ändert? Schon einmal hat Ministerpräsident Netanyahu einem fast identischen Abkommen in letzter Sekunde den Boden entzogen – mit katastrophalen Folgen. „Die Geiseln wären längst zu Hause“, kritisierte Einav Zangauker zuletzt.
Die Stimmung im Land ist gespalten. Viele Israelis sehen im geplanten Deal eine schmerzhafte, aber notwendige Entscheidung. Andere fürchten, dass ein neuer Waffenstillstand die Hamas nur wieder aufrüstet – dass jeder freigelassene Geisel den Preis eines zukünftigen Angriffs in sich trägt.
Aber eines ist sicher: Der Krieg hat seine militärischen Ziele längst erreicht. Hamas ist zerschlagen, die Infrastruktur schwer beschädigt. Jetzt geht es nicht mehr um Siege – sondern um Menschenleben.
Es bleibt zu hoffen, dass die Verhandler in Doha nicht nur Türen, sondern Herzen öffnen können. Die Zeit läuft.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Samstag, 5. Juli 2025