Dubai oder Gaza: Nir Barkats radikaler Businessplan für den Westjordanland-Frieden


Ein israelischer Minister bricht mit der Diplomatie und bringt Start-up-Denken in die Palästinafrage – mit explosivem Potenzial.

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Was wäre, wenn die Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt kein politischer Kompromiss, sondern ein Businessplan ist? Nir Barkat, Israels Wirtschaftsminister und einst erfolgreicher Tech-Unternehmer, glaubt genau das – und er präsentierte diese These mit der Selbstsicherheit eines Gründers vor Investoren. Nicht in Tel Aviv, sondern mitten in New York, beim Jerusalem Post Conference Summit.

Er begann mit einem Satz, der eher nach Silicon Valley klang als nach Ramallah: „Wenn ein Produkt nicht funktioniert, bringt man ein besseres auf den Markt.“ Sein "Produkt" war die Palästinensische Autonomiebehörde (PA). Sein besseres: ein westjordanländischer Ableger der Abraham-Abkommen.

Barkat sieht die PA nicht als Partner, sondern als gescheitertes Start-up. Seine Alternative: ausgewählte Städte und Gemeinden in Judäa und Samaria – wie Barkat bewusst sagt – könnten Ramallah umgehen, sich direkt mit Israel vernetzen, Sicherheitsgarantien erhalten, und Kapital aus dem Golf einwerben. Ein Modell, das schon zwischen Israel und den Emiraten funktioniert. Keine UNO-Resolutionen, keine Rosengarten-Zeremonien – sondern Containernummern, Lieferbedingungen und Businesspläne.

Und dann der Satz, der hängen bleibt: „Wenn sie mit Israel kooperieren, bauen wir ihnen ein Dubai. Wenn sie Israel bekämpfen, werden sie zu Gaza.“

Ein Satz, der im Konferenzsaal wie ein Stromschlag wirkte.

Realitätstest statt Wunschdenken

Was Barkat vorschlägt, ist keine Zukunftsvision, sondern ein Plan in Bewegung. Hinter verschlossenen Türen zeigte er Belege für Gespräche mit palästinensischen Gemeindevorstehern, die bereit seien, einen pragmatischen Weg zu gehen. Namen nannte er nicht – typisch Start-up-Strategie: Erst den Prototyp bauen, dann den Markt informieren.

Der Markt aber, so scheint es, existiert. In den Industrieparks der Region Binyamin hört man denselben Frust: Die PA kassiert Gebühren, bietet aber keinen Nutzen. Israelis kontrollieren die Checkpoints, ja – aber sie halten die Straßen offen. Und das Golfkapital, das überall in der Region investiert, macht um die PA einen Bogen. Warum? Weil sich dort keine verlässliche Rendite ergibt. In wirtschaftlichen Begriffen: Die PA ist ein Risiko, kein Asset.

Und die Israelis? Sie sind müde. Müde vom Oslo-Versprechen, das nicht eingelöst wurde. Müde vom Zickzackkurs zwischen Sicherheitsbedenken und symbolischer Politik. Eine aktuelle Umfrage des Jerusalem Center for Security and Foreign Affairs bestätigt diese Stimmung: 81 % der jüdischen Israelis fürchten einen zweiten 7. Oktober im Westjordanland. 85 % wollen keine Hamas-Regierung – weder in Uniform noch im Anzug. Und 78 % lehnen einen Palästinenserstaat auf den Linien von 1967 ab – selbst wenn Saudi-Arabien dafür diplomatische Beziehungen anbietet.

Lokalräte statt Terrorregierung

Auch andere Größen auf der Konferenz gaben dem neuen Denken Rückenwind. Yisrael Gantz, Chef des Regionalrats von Binyamin, sprach offen vom „Versagen der Unentschlossenheit“. Die PA nannte er eine „Armee mit 45.000 Mann“, stationiert nur Minuten von Israels Autobahnen entfernt. Sein Vorschlag: Israelisches Recht anwenden, die PA demontieren, stattdessen lokale Räte etablieren, die ihre Gemeinden verwalten – unter dem Dach der israelischen Sicherheitsarchitektur. „Keine Hamas, kein Dschihad – dann bauen wir Kliniken und Fabriken“, sagte er.

Und Ex-Generalstabschef Benny Gantz? Er nannte Klartext: Den Gazastreifen von Hamas zu befreien, werde ein Jahrzehnt dauern. Die Köpfe in den Schulen umzupolen, eine Generation. Aber ein florierendes Industriezentrum im Westjordanland könne zum Beweis werden, dass ein anderer Weg möglich ist. Ein funktionierendes Modell in Samaria – als Kontrast zur Ruine Gaza.

Keine Symbolik, nur Resultate

Die Abraham-Abkommen waren der Start – und könnten nun in eine nächste Phase eintreten: pragmatische Kooperationsprojekte mit arabischen Gemeinden im Westjordanland, unabhängig von der PA. Der frühere Trump-Gesandte Adam Boehler brachte es auf den Punkt: „Hamas verhandelt nur, wenn die IDF vorrückt.“ Sicherheit zuerst, dann Bilanzen. Eine Logik, die auch Investoren am Golf verstehen.

Und dann war da noch Dan Diker vom Jerusalem Center: Für ihn war Oslo ein „strategisches Desaster“, das den moralischen Kompass der Welt verdrehte. Der Terrorist wurde mit dem Friedensnobelpreis belohnt – Israel wurde zum Hindernis erklärt. Dreißig Jahre später folgt daraus für viele Israelis: Wenn der Rahmen die eigene Verteidigung behindert, muss der Rahmen weg.

Risiko? Natürlich. Aber das war Frieden immer.

Natürlich gibt es Widerstand. Mahmoud Abbas wird jeden lokalen Führer, der mit Israel spricht, als Verräter brandmarken. Hamas wird mit Morddrohungen reagieren, nicht mit Verhandlungsangeboten. In Tel Aviv warnen Progressive vor der „Verfestigung der Besatzung“. Rechte Nationalisten fürchten, dass mit Golf-Milliarden ein getarnter Palästinenserstaat entstehen könnte. Und Europa? Es wird mit Sorgenfalten reagieren – und am Zwei-Staaten-Dogma festhalten.

Aber Geld ist stur. Und Wirtschaft folgt anderen Gesetzen. Noch während Barkats Rede tauschten drei palästinensische Unternehmer Kontaktdaten mit einem Emirati-Logistiker. Keine Selfies, keine PR – nur Frachtpreise und Lieferzeiten.

Und Barkats zweiter Coup? Ein Gesetzesentwurf, der Katar als „terrorunterstützenden Staat“ klassifizieren will – eine neue rechtliche Kategorie, um Doha endlich aus dem Einflussbereich westlicher Universitäten und Thinktanks zu verbannen, ohne diplomatische Fesseln.

Ein Vertrag aus Jenin statt ein Foto aus Washington?

Kommt 2026 der erste Abraham-Anhang mit einem palästinensischen Ort? Vielleicht nicht. Aber ein Vertrag mit der Überschrift „Jenin Industrial Cluster – Gulf Investment Phase 1“? Der ist nicht mehr ausgeschlossen. Barkats Formel – Dubai oder Gaza – ist mehr als ein Schlagwort. Es ist eine politische und wirtschaftliche Realität, der sich niemand mehr entziehen kann.

Wer den Saal an jenem Tag verließ, ging nicht mit dem Gefühl einer Friedensvision – sondern mit dem Eindruck, dass hier jemand eine echte Marktlücke erkannt hat. Vielleicht war Ben-Gurions alter Satz doch aktueller denn je: Wer in Israel Realist sein will, muss an Wunder glauben.

Aber manchmal kommt das Wunder eben per Container.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von אילן קוסטיקה - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20152318

Artikel veröffentlicht am: Freitag, 23. Mai 2025

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