Machtpoker um Gaza: Palästinensische Fraktionen beraten über Nachkriegsordnung in Kairo
Acht palästinensische Gruppierungen, darunter Hamas und Fatah, trafen sich hinter verschlossenen Türen in Kairo, um über die politische Zukunft des Gazastreifens zu beraten. Das Treffen stellt Israels Ziel, den Einfluss der Hamas dauerhaft zu beseitigen, offen infrage.

Während Israel bemüht ist, den politischen und militärischen Einfluss der Hamas im Gazastreifen vollständig zu beenden, laufen in Kairo geheime Gespräche, die genau das Gegenteil andeuten: Acht palästinensische Fraktionen, darunter die Terrororganisation Hamas und die von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) geführte Fatah, diskutierten am Sonntag über den Aufbau einer Übergangsverwaltung für Gaza.
Das Treffen wurde auf Initiative Ägyptens organisiert und zielt darauf ab, die Grundlagen einer sogenannten technokratischen Übergangsregierung zu schaffen, die die Verwaltung des Gazastreifens nach dem Krieg übernehmen soll.
Nach Informationen der Washington Post sprachen die Teilnehmer über die Zusammensetzung und Kompetenzen dieser Übergangsstruktur – ein Schritt, der Israels erklärtes Ziel konterkariert, jegliche politische Rolle der Hamas zu verhindern.
Vertreter aus Fatah-Kreisen betonten, man wolle eine Regierung, die offiziell der Palästinensischen Autonomiebehörde untersteht, um „das Prinzip einer einheitlichen palästinensischen Führung“ zu festigen. Gleichwohl gestanden mehrere Teilnehmer ein, dass Hamas trotz der massiven militärischen Verluste weiterhin ein Machtfaktor bleibe.
„Man kann eine ideologische Bewegung wie die Hamas nicht völlig ausschließen und sie gleichzeitig in den Untergrund zwingen“, sagte Fatah-Sprecher Dimitri Diliani laut Bericht. Wichtig sei, dass Hamas sich „politisch eingebunden fühlt, ohne eine praktische Regierungsrolle zu erhalten“.
Ägyptens Außenminister Badr Abdelatty erklärte, Ziel seines Landes sei es, „eine rein palästinensische Verwaltung aus Fachleuten aus Gaza zu ermöglichen“. Diese solle den Gazastreifen als „integralen Bestandteil eines geeinten palästinensischen Staates“ führen.
Als möglicher Leiter der Übergangsregierung gilt Maged Abu Ramadan, derzeit Gesundheitsminister der PA im Westjordanland. Seine Ernennung stößt jedoch auf Widerstand innerhalb der beteiligten Fraktionen.
Sorge in Jerusalem und Ramallah
Sowohl Israel als auch die Palästinensische Autonomiebehörde sehen die Entwicklung mit Skepsis. Für Israel bedeutet jede Beteiligung von Hamas – auch indirekt – ein Rückschritt im Sicherheitskonzept. Der frühere israelische Geheimdienstoffizier Michael Milshtein warnte, Hamas könne versuchen, die Kontrolle über Gaza informell zu behalten: „Hamas könnte der PA symbolisch die Tür öffnen – aber die Waffen behalten und im Hintergrund weiter herrschen.“
Auch in Ramallah fürchtet man eine diplomatische Falle. Ein Berater der PA äußerte gegenüber ägyptischen Medien, die Fatah habe „Angst vor einem möglichen Abkommen zwischen den USA und Hamas hinter den Kulissen“. Präsident Mahmud Abbas wolle verhindern, dass Hamas aus dem Krieg als politischer Gewinner hervorgeht.
Tatsächlich verlangt das in Washington entworfene Konzept für eine Nachkriegsordnung in Gaza die Zustimmung der US-Regierung. Ohne grünes Licht aus dem Weißen Haus – derzeit unter Präsident Donald Trump – dürfte keine neue Verwaltung internationale Anerkennung finden.
Ehemalige US-Diplomaten warnen vor einer gefährlichen Zwischenlösung. Der frühere Botschafter Daniel Shapiro sagte, das Ergebnis könne am Ende genau das sein, was man habe vermeiden wollen: „Hamas ist zwar angeschlagen, aber nicht besiegt – und bereitet sich womöglich bereits auf die nächste Runde vor.“
Für Israel bleibt die zentrale Frage, ob eine palästinensische Übergangsregierung ohne Hamas tatsächlich stabil wäre – oder ob der Versuch, die Bewegung politisch einzubinden, ihr neues Gewicht verschafft.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 4. November 2025