Projekt „Neues Gaza“: Wie Israel lokale Milizen gegen Hamas stärkt


Neue Berichte deuten darauf hin, dass Israel in Gaza vier lokale Milizen unterstützt, die sich gegen die Herrschaft der Hamas stellen. Das Ziel: Stabilität nach dem Krieg – doch der Weg dorthin ist ein gefährliches Spiel zwischen Macht, Loyalität und moralischem Risiko.

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Wie der britische Sender Sky News berichtet, operieren derzeit vier Milizen im Gazastreifen, die mit stillschweigender Billigung Israels gegen die Hamas kämpfen. Die Gruppen, die sich selbst als Teil eines Projekts „Neues Gaza“ bezeichnen, sollen gemeinsam darauf hinarbeiten, die Macht der Hamas zu brechen und eine neue Ordnung in der Enklave zu schaffen.

Anführer Hossam al-Astal, ein ehemaliger Offizier der palästinensischen Sicherheitsdienste, sagte gegenüber Sky News: „Wir stehen kurz davor, die volle Kontrolle über Gaza zu übernehmen. Wir werden uns unter einem Dach vereinen.“ Seine Worte klingen wie ein Versprechen – oder eine Drohung.

Nach israelischen Sicherheitsquellen handelt es sich nicht um klassische Milizen, sondern um „zivile Verteidigungsgruppen“, die sich nach der faktischen Niederlage der Hamas in Teilen des südlichen Gazastreifens gebildet haben. Ihre Kommandeure stammen überwiegend aus ehemaligen Strukturen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die 2007 durch die Hamas gewaltsam aus Gaza vertrieben wurde.

Al-Astal berichtete, seine Einheit habe „von außen“ Fahrzeuge und Nachschub erhalten, darunter auch Waffen, die ursprünglich von Hamas-Kämpfern auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden. Die Zentrale seiner Gruppe liege nur wenige Hundert Meter von einem israelischen Außenposten entfernt – ein Detail, das die Nähe der Koordination nahelegt. Er sprach von einer „Grünen Zone“, in der es weder Beschuss noch Gefechte gebe – eingerichtet in Abstimmung mit der israelischen Armee.

Ob Israel diese Zusammenarbeit offiziell bestätigt, bleibt offen. In Jerusalem verweist man lediglich auf das Ziel, „verantwortungsbereite lokale Akteure“ zu stärken, die „das Machtvakuum nach dem Krieg verhindern“ sollen. Hinter dieser Formulierung steckt eine strategische Notwendigkeit: Die USA und Israel sind sich einig, dass die Hamas entmachtet werden muss, doch wer Gaza danach verwalten soll, ist unklar.

Das Projekt „Neues Gaza“ könnte der Versuch sein, von unten eine alternative Sicherheitsstruktur zu schaffen – pragmatisch, aber hoch riskant. Denn Waffen und Geld, die heute an Anti-Hamas-Milizen fließen, könnten morgen die Grundlage eines neuen innerpalästinensischen Machtkampfs werden.

Ein weiterer Milizenführer, Yasser Abu Shabab, sagte im Sommer gegenüber dem israelischen Armeeradio, seine Gruppe habe keine Waffenlieferungen aus Israel erhalten, sei jedoch „bereit zur Zusammenarbeit“. Er wie auch andere Kommandeure betonten, sie wollten keine Bürgerkriegslogik, sondern eine „gemeinsame Zukunft ohne Terrorherrschaft“.

Doch die Realität ist komplizierter. In Gaza kursieren Videos, die Fahrzeuge der Miliz Abu Shabab zeigen – mit hebräischen Aufschriften, die nachträglich übermalt wurden. In anderen Aufnahmen ist zu sehen, wie ihre Konvois Lebensmittel und Medikamente aus der Richtung israelischer Stützpunkte transportieren. Die Milizen selbst sprechen von „Koordination für humanitäre Zwecke“.

Aus israelischer Sicht geht es vor allem um Kontrolle. Der Wiederaufbau Gazas soll nicht von bewaffneten Islamisten, sondern von pragmatischen, lokal verwurzelten Gruppen getragen werden – notfalls jenseits offizieller politischer Strukturen. Doch damit bewegt sich Israel auf einem schmalen Grat zwischen Realpolitik und moralischer Verantwortung.

Je stärker die Milizen werden, desto größer das Risiko, dass sie sich eines Tages verselbstständigen – wie einst in Libanon, Syrien oder im Irak. Das Paradox ist offenkundig: Um die Hamas zu schwächen, muss Israel Gruppen stärken, die außerhalb jedes rechtlichen Rahmens operieren.

Und während Washington und Jerusalem an der Vision eines „stabilisierten Gazas“ festhalten, warnen israelische Analysten: Die Waffen, die heute in den Händen von Verbündeten liegen, könnten morgen erneut gegen Israel gerichtet sein.

In den Trümmern Gazas entsteht etwas Neues – aber ob es wirklich Frieden bringt, oder nur den nächsten bewaffneten Konflikt vorbereitet, bleibt offen.

Autor: Redaktion

Artikel veröffentlicht am: Sonntag, 26. Oktober 2025

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