Wenn Gnade zur Grausamkeit wird – Wie Israel seine Opfer im Stich lässt


Eine Frau, drei Terroristen, fünfzehn Jahre Schmerz – und nun ist einer ihrer Mörder frei. Tal Hartuv überlebt ein Massaker, das ihr Leben zerbrach. Heute muss sie erleben, dass der Staat, dem sie vertraute, seinen Teil des Versprechens nicht gehalten hat.

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Die britisch-israelische Überlebende eines brutalen Terroranschlags im Jahr 2010 wurde nicht von der Regierung informiert, dass einer ihrer Peiniger aus dem Gefängnis entlassen wurde. Der Mann, der 30 ihrer Knochen zertrümmerte, ihr 18 Stichwunden zufügte und ihre Freundin Kristine Luken bestialisch ermordete, ist wieder frei. Nicht, weil er Reue zeigte – sondern weil Israel gezwungen wurde, mit Terroristen zu verhandeln.

Rund zweitausend inhaftierte Täter wurden im Rahmen eines Geiselabkommens freigelassen – als Preis für zwanzig lebende Geiseln und einige zurückgeführte Leichen. In Israel löst dieser Tausch nicht Erleichterung, sondern Bitterkeit aus. Angehörige und Überlebende erfuhren aus den Medien, dass die Mörder ihrer Liebsten heimkehren. Kein Anruf, keine Erklärung, keine Verantwortung. Nur Stille – und die furchtbare Gewissheit, dass das Böse wieder atmet.

Tal Hartuv ist keine Frau, die sich in Schmerz verliert. Sie ist Kämpferin, Lehrerin in Yad Vashem, Musikerin, Autorin. Und doch trägt sie eine Last, die kein Mensch schultern sollte. In einem Gespräch aus ihrem Haus in Israel beschreibt sie die Stunden ihres Überlebens – das Brechen, das Aufstehen, das Weitergehen trotz gebrochener Rippen, kollabierter Lunge, zerfetztem Körper. Sie erzählt von der Entschlossenheit, nicht, um zu leben, sondern um gefunden zu werden, damit die Täter gefasst werden können. „Ich wollte nur, dass sie mich finden, damit sie die Mörder schnappen können.“ Ihr Weg durch den Wald, blutend, gefesselt, war ein Marsch zwischen Tod und Trotz.

Heute marschiert sie wieder – durch eine Landschaft der moralischen Verwirrung. „Ich dachte, sie würden ihn niemals freilassen, weil er eine Amerikanerin ermordet hat“, sagt sie. „Ich war sicher, niemand mit amerikanischem Blut an den Händen würde entlassen.“ Doch es geschah. Und das, obwohl Donald Trump, der jetzige US-Präsident, ein Mann ist, der Israel nie die kalte Schulter zeigte. Für Hartuv ist die Freilassung nicht nur ein persönlicher Schlag, sondern ein Symbol für das, was Israel im Westen widerfährt: moralische Isolation, erzwungene Nachgiebigkeit, aufgezwungene „Menschlichkeit“ gegenüber jenen, die keine zeigen.

Der Westen, sagt sie, hat Israel moralisch im Stich gelassen. Länder, die sich „Freunde Israels“ nennen, verlangten einen Waffenstillstand, während noch Geiseln in unterirdischen Verliesen lagen. Dieselben Regierungen, die nie gezögert hätten, in eigener Sache hart durchzugreifen, banden Israel die Hände – aus Angst vor Schlagzeilen, nicht aus Prinzip. „Wir wurden in eine Ecke gedrängt“, sagt Hartuv. „Sie sagten: Verhandelt nicht mit Terroristen – aber sie zwangen uns dazu.“

Diese Zwangslage hat einen hohen Preis. Denn jeder dieser freigelassenen Männer trägt die Ideologie des Mordens in sich. „Sie werden wieder töten“, sagt Hartuv, ohne Zögern. Und sie glaubt ihnen, weil sie ihnen in die Augen sah. Israel, das Land, das Terror überlebt hat wie kein anderes, scheint manchmal selbst zu vergessen, dass Barmherzigkeit im Angesicht des Bösen kein Zeichen von Stärke ist.

Hartuvs Wut ist keine blinde. Sie liebt Israel – zutiefst, kompromisslos, mit einer Zärtlichkeit, die schmerzt. Doch sie fühlt sich verraten. „Es ist wie eine unerwiderte Liebe“, sagt sie. „Du liebst dein Land so sehr – und plötzlich siehst du, dass es dich nicht in gleicher Weise liebt.“

In ihrer Stimme liegt keine Bitterkeit, sondern Enttäuschung. Die Art von Enttäuschung, die entsteht, wenn moralische Klarheit geopfert wird, um internationale Zustimmung zu erkaufen. Als Yad-Vashem-Pädagogin versteht Hartuv, was moralische Verantwortung bedeutet. „Wir haben uns selbst moralisch gefesselt“, sagt sie. „Wir wollten besser sein, reiner, humaner – aber unsere Feinde lachen darüber.“

Sie spricht über die sogenannte „Hasbara“, Israels Öffentlichkeitsarbeit, die aus ihrer Sicht seit Jahren versagt. „Wir erklären zu viel, entschuldigen uns zu oft. Dabei hätten wir nur die Wahrheit sagen müssen: Das ist kein Krieg gegen Hamas allein. Das ist ein Krieg gegen eine ganze Kultur des Hasses.“ Hartuv beschreibt, was viele Israelis denken, aber kaum jemand ausspricht: Dass der Terror nicht auf bewaffnete Gruppen beschränkt ist, sondern tief in der Gesellschaft verankert bleibt. „Jeder, der nach dem Massaker jubelte, jeder, der im Fernsehen sah, wie Frauen verschleppt wurden, und schwieg – sie alle tragen Mitschuld.“

Diese Worte sind unbequem. Aber sie kommen aus dem Mund einer Frau, die das Messer im Körper gespürt hat, nicht aus dem eines Kommentators. Wenn sie sagt, „es gibt keine unschuldigen Zivilisten in Gaza“, dann meint sie nicht, dass jedes Kind ein Feind sei, sondern dass das Schweigen, das Mitwissen, die ideologische Zustimmung eine Realität schaffen, die Israel allein tragen muss.

Während sie spricht, wirkt sie gefasst, nicht verbittert. Sie hat überlebt – physisch, seelisch, und als Zeugin. Sie hilft heute Überlebenden des 7. Oktober, ihre Geschichten aufzuschreiben, übersetzt Zeugnisse, damit die Welt die Wahrheit nicht verdreht. Sie weiß, dass Erinnerung der einzige Schutz vor moralischer Verwesung ist.

Autor: Redaktion

Artikel veröffentlicht am: Samstag, 25. Oktober 2025

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