Knesset eröffnet Wintersitzung mit scharfen Auseinandersetzungen
Die erste Sitzung nach der Sommerpause verlief unruhig: Knessetsprecher Ohana kritisierte die Justiz, Präsident Herzog mahnte zu Mäßigung, Premier Netanyahu sprach von einem Sieg über die Hamas.

Nach fast drei Monaten Pause kehrte das israelische Parlament am Montag in die politische Wirklichkeit zurück – und die begann mit lautstarkem Streit. Knessetsprecher Amir Ohana (Likud) eröffnete das Plenum mit einer scharfen Attacke auf das Justizsystem, sprach von der „Rammung der Knesset durch das Rechtssystem“ und stellte den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Isaac Amit, demonstrativ nur als „Richter“ vor. Die Opposition reagierte mit Tumult. Mehrere Abgeordnete wurden aus dem Saal entfernt.
Herzog spricht mit „blutendem Herzen“
Israels Staatspräsident Isaac Herzog trat nach Ohana ans Rednerpult – und machte aus seiner Empörung kein Geheimnis. „Mein Herz blutet“, sagte er, sichtlich bewegt. „Wir begraben Soldaten und Geiseln, und ihr streitet darüber, wie man den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes anspricht. So können wir als Nation nicht bestehen.“ Herzog verzichtete auf seine vorbereitete Rede, stellte sich demonstrativ an die Seite von Richter Amit und forderte die Abgeordneten auf, „die Würde des Amtes und des Landes“ zu wahren.
Seine Worte wirkten wie ein Appell an das Gewissen – doch die Ruhe währte nur kurz.
Netanyahu: „Hamas wurde besiegt“
Premierminister Benjamin Netanyahu nutzte seine Rede, um sowohl den Präsidenten zu würdigen als auch die Richtung der Regierung zu verteidigen. „Isaac Amit ist Präsident des Obersten Gerichtshofes, das ist Fakt“, sagte Netanyahu. „Und ich bin Premierminister Israels – das ist ebenfalls Fakt.“
Dann wandte er sich dem Thema zu, das über allem schwebt: dem Ende des Gaza-Krieges. „Der Druck auf Hamas erreichte seinen Höhepunkt, als ich entschied, in die Stadt Gaza einzumarschieren“, erklärte Netanyahu. „Wäre ich euren Forderungen gefolgt und hätte den Krieg vorzeitig beendet, Hamas würde heute triumphieren – Sinwar, Deif und Nasrallah wären unversehrt, und Teheran würde Atomwaffen bauen, um Israel zu vernichten.“
Er versprach, die Vernichtung der Hamas zu vollenden und zugleich neue Friedensmöglichkeiten zu prüfen. „Eine Hand hält die Waffe, um unsere Feinde zu besiegen, die andere bleibt ausgestreckt zum Frieden“, so der Premier. „Mit Präsident Trump können wir den Kreis des Friedens erweitern – Frieden schließt man mit den Starken, nicht mit den Schwachen.“
Lapid: „Sie haben uns zur Schutzmacht gemacht“
Oppositionsführer Yair Lapid (Jesch Atid) reagierte mit scharfer Kritik. „Das ist nicht eure Knesset – sie gehört dem Volk Israel“, rief er in Richtung der Regierungsbänke. Lapid warf Netanyahu vor, Israel von den USA abhängig gemacht zu haben: „Präsident Trump sagte selbst, Netanyahu habe weiterkämpfen wollen und er habe ihn gestoppt. So werden wir zur Schutzmacht, nicht zur souveränen Nation.“
Lapid griff auch die Wirtschaftspolitik der Regierung an und verwies auf die schwächelnde Konjunktur und die gesunkenen Kreditratings. „Ihr redet von Stärke, während die Preise steigen und die Jugend das Land verlässt“, sagte er.
Streit um Justiz und Macht
Knessetsprecher Amir Ohana blieb bei seiner Linie. Er warf der Justiz „unrechtmäßige Machtübernahme“ vor und kritisierte die Rolle der Rechtsberaterin der Regierung, deren Befugnisse gesetzlich nicht eindeutig geregelt seien. „Die Stimme des Volkes wird geschwächt, wenn Richter über den Willen der Wähler entscheiden“, sagte Ohana.
Herzogs mahnende Worte prallten an der aufgeheizten Atmosphäre ab. Israel ist nach dem Gaza-Krieg noch immer in einem Prozess der Neuordnung – militärisch, politisch und moralisch. Der Rückblick auf den 7. Oktober bleibt präsent, doch im Parlament bestimmen neue Konflikte den Ton: über Justizreform, Koalitionsdisziplin und das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition.
Wachsende Spannungen in der Koalition
Auch innerhalb der Regierung mehren sich kritische Stimmen. Itamar Ben-Gvir (Otzma Jehudit) forderte, das Gesetz zur Todesstrafe für Terroristen noch in dieser Sitzungsperiode zu verabschieden. „Wenn das Gesetz nicht innerhalb von drei Wochen zur Abstimmung kommt, sind wir nicht mehr an die Koalitionsdisziplin gebunden“, drohte er.
Avigdor Lieberman (Israel Beitenu) warf Netanyahu vor, den Fokus zu verlieren: „Während Soldaten fallen, beschäftigt sich der Premier mit Namensänderungen für den Krieg. Das ist keine ‚Wiederauferstehung‘, das ist ein Rückfall.“
Benny Gantz (Blau-Weiß) forderte erneut Neuwahlen: „Diese Regierung hat keine Legitimität mehr. Israel braucht eine Regierung, die das ganze Volk vertritt – nicht nur eine Seite.“
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Montag, 20. Oktober 2025