Schatten über Beirut: Wie Hezbollahs Projektion die libanesische Politik aufrüttelt


Bilder von Hassan Nasrallah und Hashem Safieddine leuchten auf den Felsen vor Beirut – ein Jahr nach ihrem Tod. Was wie ein makabrer PR-Gag erscheint, zeigt die anhaltende Kraftprobe zwischen einem geschwächten Terrorapparat und einem Staat, der endlich Autorität beanspruchen will.

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Die Szene ist symbolträchtig und verstörend zugleich: Die berühmten Raouche-Felsen vor Beirut, ein Wahrzeichen des Landes, werden zum Projektionsschirm für die Gesichter zweier Männer, die seit einem Jahr nicht mehr leben. Hassan Nasrallah, der langjährige Generalsekretär der Hisbollah, und Hashem Safieddine, sein designierter Nachfolger, beide von Israel getötet, erscheinen als Lichtbilder über dem Meer. Mit dieser Inszenierung wollte die schiitische Miliz der libanesischen Öffentlichkeit beweisen, dass sie trotz Niederlagen präsent bleibt, dass ihre Schatten weiter über dem Land liegen.

Doch das Echo war nicht die Ehrfurcht, auf die die Drahtzieher gehofft hatten. Die libanesische Regierung, die zuvor häufig auf Konfrontationen verzichtete, sah sich zu einer Reaktion gezwungen. Premierminister Nawaf Salam verurteilte das Vorgehen, sprach von einem klaren Verstoß gegen Auflagen und kündigte rechtliche Schritte an. Justizminister Adel Nassar bestätigte, man werde das Ereignis prüfen. Auffällig war, dass selbst politische Kräfte, die traditionell vorsichtiger agierten, diesmal offen gegen Hisbollah Stellung bezogen. Samir Geagea, Vorsitzender der „Libanesischen Kräfte“, lobte die Haltung der Regierung.

Diese Einigkeit ist neu. Jahrelang war Hisbollah in der Lage, sich gegen staatliche Versuche, ihre Macht zu beschneiden, durchzusetzen. Mit dem Spektakel am Raouche-Felsen hat die Miliz allerdings selbst offengelegt, wie brüchig ihr Nimbus geworden ist. Was als Demonstration von Stärke gedacht war, wirkte wie eine unbeholfene Erinnerung daran, dass sie die Kontrolle über die Symbole nicht mehr selbstverständlich besitzt.

Dass die libanesische Führung deutliche Worte fand, hängt auch mit der Stimmung im Land zusammen. Ein Jahr nach den israelischen Schlägen, die Hisbollahs Führungsstruktur schwer erschütterten, wächst die Hoffnung auf eine neue Balance. Präsident Joseph Aoun sprach gar davon, dass der Jahrestag des Todes von Nasrallah und Safieddine Anlass sei, „sich um das Projekt eines einheitlichen, starken und gerechten Staates zu scharen“. Das ist ein offener Wink in Richtung einer künftigen Konfrontation mit der Miliz, deren Waffenmonopol längst als Haupthindernis für staatliche Souveränität gilt.

Hisbollah selbst versucht, Haltung zu bewahren. Sie verweist auf Unterstützung aus Teheran. Doch gerade dort wird die Lage schwieriger. Iran steckt unter wachsendem Druck internationaler Sanktionen, hat Verluste in Syrien und im Irak zu verwalten und sieht seine Ressourcen schrumpfen. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Teheran die Gruppe nicht mehr im bisherigen Ausmaß finanzieren und aufrüsten kann. Jeder neue israelische Luftschlag gegen Hisbollah-Kommandeure reißt Lücken, die sich kaum schließen lassen.

So bleibt den Strategen vorerst das Symbolische: Gesichter aus Licht, die auf Felsen tanzen, während die Organisation um ihre Handlungsfähigkeit ringt. Doch genau diese Inszenierung macht sichtbar, wie stark Hisbollah geschwächt ist. Wenn das einzig Vorzeigbare ein Projektor ist, nicht aber eine politische Vision oder militärische Schlagkraft, dann zeigt das: Die Bewegung lebt von Erinnerungen, nicht mehr von Initiative.

Die entscheidende Frage ist nun, ob der libanesische Staat die Leerstelle nutzt. Ein wachsender Konsens gegen die „Spielereien“ der Miliz ist erkennbar. Stimmen, die sich früher nicht trauten, den Namen Hisbollah in einem kritischen Satz zu nennen, verurteilen heute öffentlich deren „Antics“. Dieser Stimmungswandel könnte der Beginn eines neuen Kapitels sein.

Israel hat der Organisation in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass Führungsköpfe und Infrastruktur nicht unangreifbar sind. Doch der eigentliche Prüfstein liegt in Beirut selbst. Nur wenn Libanons Regierung und Gesellschaft den Mut haben, staatliche Autorität zurückzufordern, wird der Schatten, den Hisbollah auf das Land wirft, langsam weichen. Bis dahin bleibt er sichtbar – selbst als Projektion auf einem Felsen.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot X

Artikel veröffentlicht am: Samstag, 27. September 2025

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