Libanon beginnt mit Entwaffnung palästinensischer Gruppen in Flüchtlingslagern
Nach Jahrzehnten der Duldung greift der libanesische Staat erstmals ernsthaft durch: Palästinensische Fraktionen in Flüchtlingslagern sollen ihre Waffen abgeben – ein heikler Schritt in einem Land, in dem die Macht von Milizen lange stärker war als die der Regierung.

Der libanesische Premierminister kündigte an, dass die Armee am Donnerstag im Beiruter Lager Burj al-Barajneh die ersten Waffen entgegengenommen habe. Damit beginnt ein Prozess, der den Kernkonflikt des Libanon berührt: die Frage, ob allein der Staat Waffen tragen darf oder ob Milizen wie Hisbollah und palästinensische Fraktionen weiterhin eine eigene Ordnung aufrechterhalten.
Das Vorhaben ist Teil einer größeren Vereinbarung, die im Mai zwischen Präsident Joseph Aoun und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas getroffen wurde. Beide hatten festgehalten, dass die Souveränität Libanons nur gewahrt werden könne, wenn bewaffnete Strukturen außerhalb der Armee verschwinden. Wenige Tage später einigten sich Vertreter beider Seiten auf einen Zeitplan für die Entwaffnung.
Noch ist unklar, wie weit der Schritt tatsächlich reicht. Ein Fatah-Funktionär erklärte gegenüber Reuters, dass bisher nur Waffen übergeben wurden, die erst kurz zuvor ins Lager gelangt seien. Auch TV-Bilder zeigten lediglich Armeefahrzeuge, die in das Camp einfuhren. Von einem umfassenden Abbau der jahrzehntelang angesammelten Arsenale kann bislang keine Rede sein.
Trotzdem gilt die Maßnahme als die ernsthafteste seit vielen Jahren. Denn die 12 palästinensischen Flüchtlingslager im Land haben sich über Jahrzehnte hinweg der Kontrolle der libanesischen Behörden entzogen. Innerhalb ihrer Grenzen herrschten eigene Regeln – und die Präsenz schwer bewaffneter Gruppen.
Hintergrund ist nicht zuletzt der Druck von außen. Im Rahmen einer im November geschlossenen Waffenruhe mit Israel, die von den USA unterstützt wurde, hatte sich Beirut verpflichtet, die Bewaffnung auf sechs staatliche Sicherheitsorgane zu beschränken. Diese Zusage ist auch eine direkte Herausforderung für die Hisbollah, deren militärische Macht den libanesischen Staat seit Jahren überschattet.
Ob die Entwaffnung tatsächlich gelingt, bleibt offen. Zu groß sind die Interessen jener, die an der Bewaffnung festhalten – und zu schwach war bisher die libanesische Führung, um sich gegen sie durchzusetzen. Doch der Schritt von Burj al-Barajneh könnte ein Anfang sein. Sollte der Staat diesmal durchhalten, wäre es ein Wendepunkt für den Libanon – und ein Signal an Israel, dass Beirut nicht länger duldet, dass pro-iranische und palästinensische Milizen das Land als Aufmarschgebiet missbrauchen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Giorgio Montersino from Milan, Italy - LAF guysUploaded by FunkMonk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11539464
Artikel veröffentlicht am: Freitag, 22. August 2025