Verhandeln im Schatten der Panzer
Israel vor der Invasion in Gaza – und doch keimt Hoffnung auf einen Geisel-Deal

Während Israels Kriegskabinett über nichts Geringeres als die vollständige Einnahme des Gazastreifens berät, erreicht das politische Jerusalem ein überraschend optimistischer Ton aus dem innersten Kreis der Vermittler: Es gibt ein Zeitfenster – schmal, aber real –, das eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ermöglichen könnte. Die Worte klingen fast zart angesichts der martialischen Realität: Mobilisierung, Kampfpläne, strategische Einkesselung. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt – auch in Israel.
Laut einem neuen Bericht des israelischen Fernsehsenders N12 haben führende Mitglieder des Verhandlungsteams die Regierung dringend davor gewarnt, durch eine endgültige militärische Entscheidung die Tür zu einer möglichen Geiselfreilassung zuzuschlagen. „Achten Sie darauf, dass Ihre Entscheidungen nicht die Chance auf einen Geisel-Deal zerstören“, so die eindringliche Botschaft an das Sicherheitskabinett.
Druck aus Kairo, Doha und Ankara – aber reicht er?
Die Vermittlerstaaten Ägypten, Katar und Türkei verstärken offenbar in diesen Tagen ihren Druck auf die Hamas, an den Verhandlungstisch zurückzukehren – und zwar nicht aus Imagegründen, sondern mit echter Verhandlungsbereitschaft. Interne Quellen gehen davon aus, dass sich nächste Woche ein konkretes Fenster öffnen könnte. Genau darin liegt das Dilemma: Israel steht an der Schwelle zur Invasion, doch gleichzeitig soll Raum bleiben für Diplomatie – mit einer Terrororganisation, deren Wort nichts zählt, aber deren Waffen töten.
Gerade deshalb ist die Warnung aus dem Verhandlungsteam so relevant: Wer jetzt den Krieg ohne Rücksicht auf parallele Verhandlungen eskaliert, könnte später feststellen, dass keine Geisel mehr lebt, die man befreien könnte. Doch der politische Druck auf Premierminister Benjamin Netanyahu wächst – von beiden Seiten. Von rechts, weil man endlich den „Endsieg“ will. Von den Militärs, weil man weiß, dass der Preis dafür hoch sein wird.
„So geht es nicht weiter“ – Netanyahu im Konflikt mit der Armee
In einer bemerkenswerten Kabinettssitzung hat Netanyahu offen mit der gegenwärtigen Kriegsstrategie der IDF gebrochen. „Ich will Hamas nicht verwalten – ich will sie besiegen“, sagte der Premier deutlich. Die bisherige Methode – selektive Operationen, Zermürbung, begrenzte Einkesselungen – hat aus seiner Sicht versagt. Kein einziger Geisel wurde militärisch befreit. Die Hamas, obwohl geschwächt, ist nicht tot.
Deshalb liegt nun ein Vorschlag auf dem Tisch: vollständige Einnahme der noch unbesetzten Teile Gazas – insbesondere der Stadt Gaza selbst und der zentralen Flüchtlingslager. Generalstabschef Eyal Zamir soll dem Kabinett zwei Optionen präsentiert haben: vollständige Bodenoffensive oder Einkesselung mit punktuellen Operationen. Doch Beobachter berichten, dass die Entscheidung längst gefallen ist. Das Kabinett wird den Weg zur vollen Invasion freigeben – nicht heute oder morgen, aber bald.
Ben Gvirs Härte versus diplomatische Realitäten
Innenminister Itamar Ben Gvir, ohnehin bekannt für seine radikale Rhetorik, hat im Kabinett klargestellt: Ein Deal mit der Hamas dürfe nicht zum Abbruch der militärischen Operationen führen. Wenn man sich für die Einnahme von Gaza entscheide, dann müsse man „es zu Ende bringen“. In seinen Augen ist jeder Verhandlungserfolg ohne vollständige militärische Kontrolle eine Einladung an die Hamas, zurückzukehren – oder schlimmer noch, gestärkt daraus hervorzugehen.
Doch genau hier beginnt die Quadratur des Kreises, die Netanyahu offenbar anstrebt. Laut Berichten versucht der Premier einen Kompromiss: einen militärischen Fahrplan, der radikale Stimmen im Kabinett befriedigt, aber offen genug bleibt, um jederzeit gestoppt oder angepasst zu werden – etwa bei einem Durchbruch in den Verhandlungen. Ein Balanceakt zwischen Entschlossenheit und Flexibilität, zwischen innenpolitischem Druck und internationaler Verantwortung.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Freitag, 8. August 2025