Frankreich will Hamas entwaffnen – doch stützt damit indirekt genau jene Kräfte, die den Terror salonfähig machen
Der französische Botschafter in Israel präsentiert sein Land als ehrlichen Makler für Frieden – mit harten Worten gegen Hamas. Doch hinter der diplomatischen Kulisse bleibt ein fatales Paradox: Paris ignoriert, dass die Fatah der PA dieselbe Ideologie teilt wie die Terroristen in Gaza.

Die Aussagen sind unmissverständlich – und in dieser Klarheit selten aus Europa zu hören: „Wir wollen Hamas entwaffnet, entmachtet und aus jeder zukünftigen palästinensischen Regierung ausgeschlossen sehen.“ So äußerte sich der französische Botschafter in Israel, Frédéric Journès, gegenüber der Jerusalem Post – nur wenige Tage, nachdem Präsident Emmanuel Macron völlig einseitig einen palästinensischen Staat anerkannt hatte.
Doch so deutlich der Botschafter gegen den islamistischen Terror Stellung bezog, so widersprüchlich bleibt das französische Handeln in der Region. Denn die zentralen Forderungen Frankreichs – ein friedlicher, demokratischer, entmilitarisierter Palästinenserstaat ohne Hasspropaganda, ohne „Märtyrer-Gehälter“, ohne Beteiligung von Hamas – stehen in eklatantem Widerspruch zur real existierenden Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah und zur Fatah, der führenden Bewegung unter Mahmoud Abbas.
Forderungen an Hamas – aber Wegbereitung für die Fatah?
Frankreich stellt sich vor, dass die Zukunft Palästinas von gemäßigten, verantwortungsvollen Kräften gestaltet wird. Man fordert Reformen, Demokratie, die Abschaffung der Terrorfinanzierung und die Anerkennung Israels als jüdischer Staat. Doch die Frage, die Journès nicht beantwortet, lautet: Mit wem?
Denn auch wenn Hamas international als Terrororganisation gilt, so praktiziert die PA unter Abbas eine stille Form der Gewaltverherrlichung – systematisch, institutionell und staatlich gefördert:
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Die PA zahlt weiterhin „Märtyrergehälter“ an verurteilte Terroristen und deren Familien.
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Antisemitische Hetze ist fester Bestandteil palästinensischer Schulbücher und offizieller Medien.
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Die Anerkennung Israels als jüdischer Staat wird explizit verweigert – bis heute.
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Wahlen werden seit 2005 blockiert, weil das Ergebnis ungewiss ist – und die Fatah ihre Macht nicht riskieren will.
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Hamas-nahe Gruppierungen dürfen in PA-Gebieten agieren – solange sie sich taktisch anpassen.
Wer also Hamas ausschließen will, darf nicht gleichzeitig blind vertrauen in eine Führung, die strukturell dieselbe Agenda verfolgt – nur mit Krawatte statt Kalaschnikow.
Frankreich will das eine – und fördert unbeabsichtigt das andere. Das ist nicht diplomatisch – das ist gefährlich.
Eine Vision mit gebrochenem Fundament
Journès beschreibt ein Modell für „den Tag danach“ in Gaza: ein entmilitarisiertes Palästina, internationale Sicherheitsmechanismen, Rückzug israelischer Truppen, Freilassung aller Geiseln. Alles edel gemeint – aber es fehlt der zentrale Baustein: eine vertrauenswürdige palästinensische Führung.
Denn sowohl in Gaza als auch in Ramallah regieren derzeit Akteure, die an einem friedlichen Nebeneinander mit Israel kein Interesse haben – weder ideologisch noch politisch. Und es ist kein Geheimnis, dass Hamas und Fatah trotz ihrer Rivalität in einem Punkt einig sind: im Wunsch, Israel langfristig zu schwächen, zu delegitimieren und international zu isolieren.
Wenn Frankreich also glaubt, durch Anerkennung und humanitäre Angebote den moderaten Kräften Aufwind zu verschaffen, dann ignoriert es die innere Logik der palästinensischen Politik: Dort gilt jede Konzession an den Westen – ob Geld, Legitimität oder Staatlichkeit – als taktischer Gewinn im Kampf gegen Israel.
„Für Gottessake – bringt die Geiseln zurück“
Trotz aller Widersprüche bleibt der französische Botschafter in seiner Tonlage menschlich, bewegt, glaubwürdig. Er hat das Trauma Israels nicht nur beobachtet, sondern erlebt. 119 Mal musste er in den Schutzraum. Er war bei Beerdigungen. Er kennt Eltern, deren Kinder im Krieg sind. Besonders nahe ging ihm der Tod von Elia Toledano, einem der Geiseln vom 7. Oktober. „Für Gottessake – bringt die Geiseln zurück“, sagte Journès sichtlich emotional. „Damit ihre Familien Kaddisch sagen können.“
Es sind diese Sätze, die ihn von anderen westlichen Diplomaten unterscheiden. Hier spricht jemand, der den Preis des Krieges kennt. Und der Israel nicht belehren will, sondern mahnt – mit Respekt.
Doch genau deshalb wiegt der politische Widerspruch schwerer: Wie kann man Israel ein Ende des Krieges anbieten, wenn man gleichzeitig politische Strukturen legitimiert, die den Nährboden für den nächsten Krieg schaffen?
Frieden braucht mehr als Worte
Es ist leicht, sich auf Resolutionen zu berufen, auf „die internationale Gemeinschaft“ oder den nächsten Gipfel mit Saudi-Arabien. Doch ohne glaubwürdige Partner auf palästinensischer Seite bleibt jede Vision ein leeres Versprechen.
Frankreich mag es gut meinen – aber wenn es Frieden fördern will, muss es endlich ehrlich hinschauen: Wer heute Fatah stärkt, um Hamas zu schwächen, ersetzt den einen Terror lediglich durch einen institutionalisierten. Und wer heute einen Staat anerkennt, bevor es eine Friedensbereitschaft gibt, riskiert, dass dieser Staat zu einem weiteren Frontabschnitt wird – nicht zu einem Nachbarn.
Autor: David Goldberg
Bild Quelle: By David Tversky, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=149075754
Artikel veröffentlicht am: Freitag, 8. August 2025