Der Staat oder die Miliz – Libanons Stunde der Entscheidung gegen die Hisbolla


Mitten im Schattenkrieg zwischen Israel und dem Iran setzt Libanons Regierung zu einem Tabubruch an: Zum ersten Mal überhaupt soll eine offizielle Entwaffnung der Hisbollah diskutiert werden. Die Reaktion der Terrororganisation ist ein wütender Aufschrei – und eine kaum verhüllte Drohung gegen den eigenen Staat.

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Am Mittwoch veröffentlichte die Hisbollah eine wütende Erklärung gegen die Entscheidung der libanesischen Regierung, den libanesischen Streitkräften (LAF) den Auftrag zu erteilen, bis Jahresende einen Mechanismus für die Zentralisierung aller Waffen in den Händen des Staates auszuarbeiten. Eine politische Zeitenwende in Beirut – und ein direkter Angriff auf das Selbstverständnis der schiitischen Terrororganisation, die sich selbst seit Jahrzehnten als „Widerstandskraft“ gegen Israel inszeniert, jedoch faktisch längst ein Staat im Staate ist.

Für die Hisbollah ist die Entscheidung ein „schweres Verbrechen“. Wörtlich heißt es: „Die Regierung von Nawaf Salam schwächt Libanons Fähigkeiten und seinen Status. Sie erfüllt für Israel einen Erfolg, den es mit seiner Aggression im Libanon nicht erzielen konnte.“

Die Maske fällt

Deutlicher als je zuvor wird dabei offengelegt, was in westlichen Hauptstädten und manchen Redaktionen noch immer ignoriert wird: Die Hisbollah sieht sich nicht als Teil des libanesischen Staates – sondern als dessen Alternative. Ihre Waffen gelten ihr als „legitimes Schutzschild“, ihre Miliz als „nationale Kraft“, ihre Kontrolle über weite Teile des Südlibanon als gottgegeben.

Die jetzige Entscheidung der Regierung, erstmals ernsthaft eine staatliche Gewaltmonopolisierung anzustreben, wird nicht als politische Debatte behandelt, sondern als Kapitulation vor Israel und den USA. Die Terrororganisation spricht von einem Angriff auf die libanesische Souveränität – während sie selbst seit Jahrzehnten jeden Versuch eines souveränen Staates untergräbt.

Militär oder Miliz – Beirut am Scheideweg

Ministerpräsident Nawaf Salam, der erst vor wenigen Monaten ins Amt kam, wagt damit etwas, woran seine Vorgänger regelmäßig scheiterten: die Infragestellung des Machtmonopols der Hisbollah. Seine Entscheidung, dem Militär eine klare Rolle zuzuweisen und bis Ende August einen Entwurf zu präsentieren, ist ein innenpolitischer Sprengsatz – und eine mutige Antwort auf die wachsende internationale Forderung, den Libanon endlich zu einem echten, souveränen Staat zu machen.

Begleitet wird der Schritt von der parallelen Auswertung eines amerikanischen Vorschlags zur Entwaffnung der Hisbollah – ein Dokument, das bislang geheim gehalten wird, dessen bloße Existenz aber bereits Panik bei den Pro-Iran-Kräften im Libanon ausgelöst hat.

Hisbollah warnt, droht – und redet von „ganz Libanon“

In ihrer Stellungnahme erklärte die Hisbollah, dass sie die Entscheidung schlichtweg nicht anerkennen werde. „Wir betrachten diese Entscheidung als nicht existent“, heißt es wörtlich. Zugleich inszeniert sich die Organisation erneut als „Volkskraft“, die den „Willen aller religiösen und gesellschaftlichen Gruppen Libanons“ vertrete – eine groteske Anmaßung, die jedoch in Teilen der schiitischen Bevölkerung weiterhin Anklang findet.

Auch das „Amal“-Bündnis verließ demonstrativ die Kabinettssitzung – ein deutliches Zeichen dafür, dass eine ernsthafte politische Konfrontation zwischen Regierung und Milizen bevorsteht. In der Erklärung heißt es weiter: „Diese Entscheidung gibt Israel freie Hand, Libanons Sicherheit, Geografie, Politik und Existenz zu bedrohen.“ Und: „Wir sind offen für Dialog – aber nicht unter Aggressionsdrohungen.“

Kassem droht offen mit Krieg

In einer Rede anlässlich des 40. Todestags des Quds-Kommandeurs Saeed Izadi, der in Qom durch einen israelischen Luftschlag getötet wurde, legte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Qassem nach. Seine Botschaft war unmissverständlich: „Wenn wir unsere Waffen abgeben, wird die Aggression nicht enden. Im Gegenteil: Sie wird sich ausweiten.“

Er warnte, dass jede Schwächung der „Widerstandskraft“ das Risiko eines umfassenden israelischen Angriffs erhöhen würde – und kündigte im selben Atemzug eine militärische Reaktion an: „Das ganze Sicherheitsnetz, das Israel in acht Monaten aufgebaut hat, wird in einer Stunde zusammenbrechen.“

Ein letzter Test für Libanons Souveränität

Diese Eskalation ist mehr als nur ein innenpolitischer Konflikt. Sie ist ein Test für die Frage, ob Libanon ein souveräner Staat sein will – oder ein Protektorat iranischer Stellvertreter. Die Entscheidung, das Waffenmonopol wieder in staatliche Hand zu legen, ist ein Schritt Richtung Normalität, Rechtsstaatlichkeit und politischer Selbstbestimmung.

Doch genau das ist es, was die Hisbollah fürchtet. Denn ihr gesamtes politisches und militärisches Kapital basiert auf dem Chaos: auf schwachen Institutionen, paralysierten Parlamenten und einem korrupten Machtgefüge, das sie mit iranischem Geld und Einschüchterung dominiert.

Die Entscheidung der Regierung Salam ist deshalb historisch – aber nicht ungefährlich. Sollte sie durchgezogen werden, steht dem Libanon ein offener Konflikt ins Haus. Sollte sie zurückgenommen werden, wäre das ein endgültiger Offenbarungseid gegenüber einer Miliz, die längst entschieden hat, dass sie der wahre Staat ist.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Heretiq - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=562137

Artikel veröffentlicht am: Donnerstag, 7. August 2025

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