So sah das Weizmann-Institut nach dem Raketenangriff aus


Zwei iranische Raketen trafen das Weizmann-Institut im Juni 2025. Zurück blieben verbrannte Labore, verlorene Forschung – und eine Regierung, die bis heute kaum hilft.

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Am dritten Kriegstag zwischen Israel und dem Iran, in einer Nacht Mitte Juni, schlugen zwei Raketen mitten ins Herz des israelischen Wissenschaftsstandorts Rechovot ein. Ziel war nicht irgendein Industriekomplex, kein Militärstützpunkt – sondern das Weizmann-Institut für Wissenschaften, ein Ort, an dem Grundlagenforschung für die Menschheit betrieben wird. Die Schäden: verheerend. Der Wiederaufbau: zäh. Und die staatliche Hilfe? Bis heute weitgehend ausgeblieben.

Professor Eldad Tzahor, Molekularbiologe am Weizmann-Institut, steht wenige Tage nach dem Einschlag inmitten verkohlter Trümmer: „Unser Herz ist ein bisschen gebrochen, wie man sieht. Gebrochen durch Raketen – aber wir werden reparieren.“ Es ist einer der nüchternsten Sätze aus einem Ort, der nicht für Schlagzeilen gebaut wurde, sondern für Forschung, die Leben verändert.

Wissen in Schutt und Asche

Das Gebäude des Instituts für Krebsforschung ist zerstört. In über 20 Labors lagerten Jahrzehnte an Wissen, an Proben, an Dokumentation. Professorin Yifat Merbl, selbst betroffen, sagt: „Zehn Jahre lang war das mein Büro. Die Skizzen an der Wand, die Versuchspläne – alles ist noch zu sehen, aber alles ist verloren.“ Mit ruhiger Stimme beschreibt sie das Gefühl beim Betreten: „Man bekommt Gänsehaut. Aber wir atmen tief durch, alles wackelt – und wir denken: weiter.“

In jener Nacht, gegen 3 Uhr morgens, erwachten viele der Wissenschaftler auf dem Campus durch den gewaltigen Einschlag. Der WhatsApp-Chat der Mitarbeiter füllte sich mit Bildern brennender Gebäude. Tzahor: „Ich schrieb: ‚Freunde, wir haben kein Labor mehr.‘ Meine Tochter war mit meinen Enkeln zu Besuch. Ich lief mit dem Enkel auf dem Arm zur Uni. Ich hätte nie gedacht, dass es so aussieht.“

Professor Segal, einer der führenden Forscher im Bereich künstliche Intelligenz in der Biologie, erklärt, wie wichtig die zerstörten Proben waren: „Wir hatten 30.000 menschliche Proben gespeichert, darunter Rückenmarksflüssigkeit von Alzheimer-Patienten – gesammelt vor der Diagnose, als sie nur über Kopfschmerzen klagten. Solche Daten gibt es kaum ein zweites Mal.“

Und was bleibt? „Es ist weg“, sagt Professorin Merbl.

Kein Versehen – ein gezielter Schlag

Dass das Weizmann-Institut kein Kollateralschaden war, bezweifelt dort niemand. „Die Iraner haben das Ziel benannt“, sagt Institutspräsident Professor Alon Chen. „Sie wollten einen symbolischen Ort treffen, einen Ort, der als Leuchtturm der Wissenschaft in Israel gilt.“ Dass zum Zeitpunkt des Einschlags keine Menschen verletzt wurden, war reiner Zufall: Es war tiefste Nacht, und die Forschungstrakte waren unbesetzt.

Doch der materielle Schaden ist gewaltig: rund 1,5 bis 2 Milliarden Schekel – mehr als 400 Millionen Euro. Und er wird noch übertroffen vom ideellen Schaden: zerstörte Lebenswerke, verlorene Daten, zerstörte Hoffnung. „Das ist kein Elfenbeinturm“, sagt Chen. „Wir forschen für alle – auch für die, die die Raketen geschickt haben.“

Staatliche Hilfe? Nur auf dem Papier

Premierminister, Bildungsministerin, Wissenschaftsministerin – sie alle kamen nach dem Angriff. Worte der Anteilnahme gab es viele. Doch konkrete Unterstützung blieb aus. „Man versprach viel, aber das meiste war Symbolik“, sagt Chen. Das Weizmann-Institut muss nun selbst Spenden einwerben – und das in einer Phase, in der internationale Zuwendungen massiv zurückgehen.

Denn die Folgen des Gaza-Kriegs schlagen auch auf die Forschung durch. Professor Segal spricht von einem Rückgang der EU-Fördermittel um 70 Prozent. „Man sagt es uns nicht direkt“, erklärt er, „aber die Absagen häufen sich. Und manchmal steht es doch ganz offen im Mailtext.“ Der Ruf Israels hat gelitten – auch in wissenschaftlichen Netzwerken.

Das Problem: Der israelische Staat fördert das Weizmann-Institut nur mit rund 20 Prozent des Budgets – Universitäten erhalten teils das Dreifache, zusätzlich zu Studiengebühren. Das Weizmann-Institut hingegen verlangt keine Gebühren. Präsident Chen betont: „Unsere Arbeit ist ein Beitrag für die Gesellschaft. Das muss sich auch in der staatlichen Unterstützung widerspiegeln.“

Zwischen Trümmern und Tweets

Zu den verletzendsten Momenten nach dem Angriff gehört nicht die Rakete – sondern ein Tweet. Ein selbsternannter Patriot schrieb: „G’tt – 1, Weizmann – 0.“ Für Chen und sein Team eine Grenzüberschreitung: „Wir sind keine Gegner Gottes. Viele Gläubige arbeiten hier. Wir sind nicht weniger jüdisch, nicht weniger zionistisch.“ Professorin Merbl sagt: „So etwas zu schreiben am Tag, an dem wir zehn Jahre Forschung verlieren – das ist unmenschlich.“

Andere Wissenschaftler sehen es ähnlich: „Wir machen hier keine Forschung für eine Elite, sondern für die Gesellschaft – für Israel, für die Welt“, sagt Segal. Auch für den Iran, fügt er hinzu: „Auch die Menschen, die uns diese Raketen geschickt haben, profitieren von unserer Forschung.“

Was bleibt, ist das Bild eines zerstörten Gebäudes – und das Schweigen der Politik. Doch die Forscherinnen und Forscher des Weizmann-Instituts machen weiter. Weil sie wissen, dass Wissenschaft keine Option ist, sondern Voraussetzung: für Gesundheit, Sicherheit, Fortschritt.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Channel 12 Israel

Artikel veröffentlicht am: Samstag, 26. Juli 2025

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