„Mein Sohn lebt – und schreit nach Hilfe“: Die Mutter des israelischen Geisel Yossef Chaim Ohana bricht ihr Schweigen
656 Tage nach dem 7. Oktober lebt Yossef Chaim Ohana noch immer in Gefangenschaft der Hamas. Ein neues Video zeigt ihn am Leben – doch seine Mutter hört in seinem Blick nur eines: den stummen Schrei eines Sohnes, der endlich nach Hause will.

Seit über anderthalb Jahren zählt Miryam Ben-Ami jeden einzelnen Tag. 656 sind es nun. Tage, an denen sie nicht weiß, wo genau ihr Sohn Yossef Chaim ist. Ob er schläft, ob er isst, ob er Schmerzen hat. Und doch weiß sie eines mit absoluter Gewissheit: „Mein Sohn lebt. Ich habe ihn gesehen. Und er schreit nach Hilfe.“
Es ist ein Satz, den sie mit zitternder Stimme sagt. Und ein Satz, der sich tief in das kollektive Bewusstsein eines Landes brennt, das gelernt hat, mit dem Unfassbaren zu leben – und dennoch nicht bereit ist, es zu akzeptieren.
Yossef Chaim Ohana, 24 Jahre alt, aus Kirjat Malachi, war am 7. Oktober 2023 auf dem Nova-Festival, als Hamas-Terroristen das Gelände stürmten und ein beispielloses Blutbad anrichteten. Hunderte wurden getötet, Dutzende entführt. Yossef war unter ihnen.
„Er ist am Leben – aber er ist nicht frei“
Vor zwei Monaten veröffentlichte die Hamas ein neues Video: Darin ist Yossef gemeinsam mit einem weiteren Geisel, Elkanah Bohbot, zu sehen. Es war das erste Lebenszeichen seit Monaten. Für Miryam Ben-Ami war es ein bittersüßer Moment: „Es war mein Sohn, ja. Aber was ich in seinem Blick gesehen habe, war der Blick eines Gefangenen. Eines Menschen, der verzweifelt um Hilfe bittet – ohne ein einziges Wort sagen zu dürfen.“
Yossef, so schildert seine Mutter, war ein lebensfroher, hilfsbereiter junger Mann, der in seiner Familie als Fels galt. „Wenn ich einmal in finanziellen Schwierigkeiten war, legte er mir Geld in einem Umschlag hin. Er schrieb darauf: ‚Mama, ich will nur, dass du lächelst.‘“
Heute sind es Tränen, keine Lächeln, die ihren Alltag prägen. Und doch klammert sie sich an ihre Hoffnung, an ihre unerschütterliche Überzeugung, dass ihr Sohn noch lebt – und dass er zurückkehren wird.
Heldentum am Tag des Grauens
Was Yossef in seinen letzten Stunden in Freiheit tat, macht das Schicksal umso tragischer. Sein Freund Daniel, der das Massaker überlebte, berichtete, dass die beiden Verletzte versorgten, eine junge Frau auf einer Trage aus einem zerfetzten Ambulanzwagen bargen und medizinisches Material heranschafften – unter Raketenbeschuss, unter Kugelhagel.
„Sie haben geholfen, solange sie konnten“, erzählt Miryam. „Dann rannten sie in Richtung Straße. Unter Beschuss. Daniel sah, wie Yossef sich hinter einem verkohlten Auto duckte. Das war das letzte Mal, dass jemand ihn sah.“ Seitdem kamen zwei Lebenszeichen – mehr nicht.
Eine Mutter, zwei verlorene Kinder
Für Miryam ist die Entführung ihres Sohnes nicht die erste Tragödie. Vor 13 Jahren verlor sie ihren jüngsten Sohn, Ascher Yitzhak, an Krebs. Er war gerade einmal acht Jahre alt. „Man sagt, man soll nicht zweimal sterben im Leben. Aber ich fühle mich, als hätte ich es doch“, sagt sie mit leiser Stimme.
Und doch gibt sie nicht auf. „Der Glaube gibt mir Kraft“, betont sie. „Auch im Krieg. Auch in dieser unvorstellbar schweren Zeit. Ich muss glauben, sonst zerbreche ich.“
Ein Land darf nicht zur Tagesordnung übergehen
50 Geiseln befinden sich nach israelischen Angaben weiterhin in der Gewalt der Hamas. 656 Tage nach ihrer Verschleppung. Für ihre Familien ist jeder Tag eine seelische Folter, eine Mischung aus Hoffen und Verzweifeln, zwischen Protesten, Appellen und dem ständigen Gefühl, nicht gehört zu werden.
In einem Moment, da internationale Vermittler an einer Waffenruhe arbeiten und Namen auf Austauschlisten hin- und hergeschoben werden, steht Miryam Ben-Ami für all die Familien, deren Stimmen nicht verklingen dürfen.
„Ich will nur meinen Sohn zurück“, sagt sie. „Ich will ihn umarmen, ich will ihm sagen, dass ich ihn nie aufgegeben habe. Und ich will, dass alle, die verhandeln, eines wissen: Hinter jedem Namen steht ein Mensch. Und eine Mutter, die nicht mehr warten kann.“
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 23. Juli 2025