Iran empört über angebliches Putin-Angebot: Moskau soll „Null-Anreicherung“ unterstützt haben
Ein Bericht über Russlands angebliche Unterstützung eines Nukleardeals ohne iranische Urananreicherung sorgt in Teheran für wütende Dementis. Der Iran sieht sich verraten – und die Front gegen Washington gerät ins Wanken.

Am Morgen des 12. Juli 2025 veröffentlichte das US-Medium Axios einen brisanten Bericht: Demnach habe Russlands Präsident Wladimir Putin sowohl gegenüber den USA als auch gegenüber iranischen Vertretern signalisiert, dass er ein Abkommen unterstütze, in dem Iran vollständig auf Urananreicherung verzichtet – ein sogenannter „Zero-Enrichment“-Deal. Der Bericht traf die iranische Führung offenbar wie ein Donnerschlag – nur zwei Stunden später dementierte die regimetreue Nachrichtenagentur Tasnim, die der Revolutionsgarde (IRGC) nahesteht, die Meldung kategorisch.
In dem Dementi heißt es, Teheran habe „in keiner Weise“ eine derartige Botschaft von Putin erhalten. Die Äußerung wurde einem „informierten Insider“ zugeschrieben, wie es in autoritären Systemen üblich ist, wenn man Härte zeigen will, ohne konkrete Namen zu nennen. Der Vorwurf, die Nachricht sei von „zionistischen Medien“ lanciert worden, rundete das propagandistische Reflexmuster ab.
Ein diplomatischer Drahtseilakt – und Putins Doppelspiel?
Die Situation ist heikel – und sie offenbart erneut, wie brüchig das strategische Bündnis zwischen Moskau und Teheran tatsächlich ist. In der Öffentlichkeit verteidigt Russland stets Irans „Recht auf friedliche Atomnutzung“, inklusive Urananreicherung. Doch hinter den Kulissen könnte sich eine andere Realität abzeichnen.
Laut Axios soll Putin nach dem 12-tägigen Krieg zwischen Israel und dem Iran – der mit einem massiven militärischen Eingreifen der USA endete – erstmals signalisiert haben, dass ein Deal ohne jegliche Urananreicherung aus russischer Sicht akzeptabel sei. Ziel sei es, den Druck auf Teheran zu erhöhen, um einen für die USA annehmbaren diplomatischen Weg zu ebnen. Die Quelle: ein europäischer Insider, der an den Gesprächen beteiligt gewesen sein soll.
Aus Teheraner Sicht wäre ein solches Vorgehen ein strategischer Affront. Die Islamische Republik betrachtet ihr Atomprogramm nicht nur als technischen Fortschritt, sondern als symbolische Bastion nationaler Souveränität. Ein öffentliches oder auch nur angedeutetes Abweichen vom „Recht auf Anreicherung“ würde innenpolitisch als Schwäche gedeutet – gerade nach den jüngsten Angriffen Israels und dem inneriranischen Machtwechsel von Raisi zu Pezeshkian.
Zwischen Wahrheit und Propaganda: Wer blufft hier wirklich?
Die Vehemenz des iranischen Dementis lässt tief blicken. Wenn tatsächlich keinerlei Kontakt über eine solche Botschaft bestand – warum dann diese aggressive Wortwahl? Warum die gezielte Verknüpfung mit „zionistischen Medien“, wenn der Axios-Bericht explizit auf russische und europäische Quellen verweist? Die Reaktion deutet vielmehr auf Sorge hin, Russland könnte sich – zumindest taktisch – von Teheran absetzen.
Und auch aus russischer Sicht ist das nachvollziehbar: Die diplomatische Isolation durch den Ukrainekrieg zwingt Moskau zu einer flexibleren Positionierung. Ein nuklearer Flächenbrand im Nahen Osten ist aus Kreml-Perspektive wenig hilfreich – besonders, wenn er die USA zu neuen Allianzen in der Region zwingt. So verwundert es nicht, dass Russlands Außenminister Lawrow am selben Tag öffentlich verkündete, Moskau könne Iran beim „technischen Umgang“ mit überschüssigem Uran helfen – inklusive Rückführung niedrig angereicherten Materials für zivile Nutzung.
Zwischen den Zeilen ist klar: Russland öffnet Türen zur Deeskalation, ohne öffentlich Druck auszuüben. Und signalisiert zugleich seine Unersetzbarkeit im diplomatischen Spiel. Der Hinweis auf Russlands Fähigkeit zur Uranverarbeitung ist kein Zufall – sondern eine Einladung.
USA, Israel und das Vertrauen, das „unter Null“ liegt
Währenddessen verschärft Teheran seine Rhetorik gegenüber Washington. Der iranische Außenamtssprecher sprach von einem „skandalösen Angriff“ der USA auf den Iran „mitten im diplomatischen Prozess“. Gemeint sind die US-Luftschläge im Rahmen der israelischen Militäraktion gegen iranische Atomanlagen im Juni. Zwar war es Trump, der wenige Tage später den Waffenstillstand aushandelte – doch der Schaden ist politisch tief.
Dass Trump anschließend Israels Premierminister Netanjahu in Washington empfing, wirkte in Teheran wie Hohn. Seither schwanken die Signale aus Iran: Einerseits spricht man von Dialogbereitschaft, andererseits betont man unmissverständlich, dass das Vertrauen in die USA „unter null“ liege.
Das Kalkül ist durchsichtig: Teheran will Gespräche – aber nur zu eigenen Bedingungen. Die vermeintliche „Null-Anreicherung“, über die Putin intern gesprochen haben soll, passt da nicht ins Konzept. Schon gar nicht, wenn sie aus Moskau kommt – dem bislang zuverlässigsten Partner im UN-Sicherheitsrat.
Noch ist unklar, ob der Axios-Bericht den tatsächlichen Inhalt russisch-iranischer Gespräche wiedergibt – oder ob es sich um eine diplomatische Finesse handelt, um Iran unter Druck zu setzen. Sicher ist jedoch: Das vermeintliche „Dementi“ zeigt mehr als es kaschiert.
Die Reibung zwischen den strategischen Partnern Iran und Russland wird sichtbarer. Und auch das alte Spiel der Rollenverteilung – Moskau als Beschützer, Teheran als Getriebener – beginnt zu wanken.
In einer Region, in der Symbole oft mehr zählen als Verträge, könnte ein einziger Halbsatz über „Null Anreicherung“ zur strategischen Zäsur werden. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Putin tatsächlich auf Abstand zu Teheran geht – oder ob alles nur ein taktischer Schattenwurf war.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: kremlin.ru
Artikel veröffentlicht am: Sonntag, 13. Juli 2025