Iran erfindet den Sieg: Wie das Regime mit alten Bildern und KI eine „gefangene israelische Pilotin“ inszenierte
Ein inszenierter Abschuss, eine angeblich gefangene Pilotin, gefälschte Brände – Teheran füttert das Netz mit Lügen, die nicht einmal das eigene Volk überzeugen.

Es war ein kurzer Clip, kaum länger als zehn Sekunden. Zu sehen: Ein Kampfjet über der israelischen Küstenstadt Bat Yam, ein herannahender Raketenabschuss – dann eine Explosion. Begleitet wurde das Video von der Behauptung, ein israelisches Flugzeug sei abgeschossen worden, die Pilotin gefangen genommen. Die Szene wirkte dramatisch, die Botschaft eindeutig. Nur: Nichts davon ist wahr.
Was hier viral ging, war kein Kriegsdokument, sondern eine perfide Mischung aus Archivmaterial, synthetischen Bildern und Wunschdenken – orchestriert von iranischen Kanälen, verbreitet über soziale Netzwerke. Es ist das jüngste Beispiel einer psychologischen Kriegsführung, die nicht mehr auf Raketen, sondern auf Reize setzt: emotional, manipulativ, effizient – und inhaltsleer.
Eine Lüge mit Plan
Der jüngste Fall passt in ein Muster, das sich seit Wochen intensiviert. Auf Telegram, X (vormals Twitter) und TikTok häufen sich scheinbar sensationelle Berichte über vermeintliche Erfolge Irans im Kampf gegen Israel. So hieß es etwa, drei israelische F-35-Kampfjets seien abgeschossen worden, die Trümmer samt Leichen der Piloten angeblich geborgen. Doch Beweise? Fehlanzeige. Stattdessen: dunkle Bilder, unscharfe Aufnahmen, manipulierte Audioeffekte. Die israelische Armee reagierte prompt: „Ein weiteres Märchen aus der Propagandaküche Teherans.“

Was hier betrieben wird, ist keine Informationskampagne – es ist Desinformation mit System. Alte Bilder, etwa von einer israelischen Soldatin in Fliegeruniform, werden aus dem Zusammenhang gerissen und als „gefangene Pilotin“ verkauft. Eine Frau, die 2023 auf Instagram nach einem Routineeinsatz posierte, soll plötzlich in iranischer Gefangenschaft sein. Doch weder Ort noch Zeit noch Name wurden genannt. Nur der Mythos zählt.
Die Wahrheit ist störend
Besonders grotesk wird es, wenn man die Details prüft. Die angebliche Explosion über Bat Yam entpuppt sich bei genauer Betrachtung als computergeneriert: Der Rauch wirkt künstlich, die Flugbahn des Jets unnatürlich, der Einschlag choreografiert. Und die angebliche Großbrandkatastrophe in Haifa? Die Bilder stammen aus einem völlig anderen Jahr, einer anderen Stadt – wieder ein Griff ins Archiv.
Das iranische Regime versucht durch diese Art der Manipulation nicht primär, die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Es geht um das eigene Publikum: die Bevölkerung im Iran, arabische Medienkonsumenten, Hisbollah-Anhänger im Libanon. Ihnen soll suggeriert werden, dass Teheran zurückschlägt, dass Israel verwundbar ist – auch wenn es nicht stimmt. Der Zweck heiligt die Mittel. Die Geschwindigkeit, mit der ein Narrativ kursiert, zählt mehr als sein Wahrheitsgehalt.
Doch diesmal scheint die Rechnung nicht aufzugehen. Selbst regimetreue Nutzer in iranischen Netzwerken hinterfragen die Botschaften. „Wenn ihr wirklich drei F-35 abgeschossen habt – wo sind die Bilder?“, schreiben einige. Andere weisen auf die bekannten Ursprünge der veröffentlichten Aufnahmen hin. Der Propagandakampagne fehlt zunehmend das Überraschungsmoment.
Ein verzweifelter Spiegelkrieg
Die iranische Desinformationsstrategie ist nicht neu, aber sie wirkt im aktuellen Kontext besonders verzweifelt. Während die iranische Führung militärisch unter Druck steht – nicht zuletzt durch gezielte israelische Angriffe auf Waffenlager, Drohnenfabriken und hochrangige Kommandeure – versucht man, durch psychologische Kriegsführung Stärke zu simulieren.
Dabei ist der Aufwand gering: Ein KI-Programm generiert das passende Bild, ein Telegram-Kanal verbreitet es mit dramatischer Bildunterschrift. Die Illusion eines Erfolgs entsteht – für wenige Stunden, manchmal für Tage. Und selbst wenn die Lüge enttarnt wird, hat sie oft schon Wirkung entfaltet. Im besten Fall sorgt sie für Verwirrung, im schlimmsten Fall für Mobilisierung und Hass.

Dass dabei selbst hochrangige iranische Funktionäre Teil dieser Inszenierung werden, zeigt das Beispiel von Ali Schamchani, einem Berater des Revolutionsführers Khamenei. Angeblich schwer verletzt bei einem israelischen Angriff, wurde er nun auf einem Krankenhausbild gezeigt – ruhig liegend, versorgt, stabil. Auch diese Aufnahme stellte sich als veraltet heraus. Ein alter Krankenhausbesuch, neu etikettiert.
Die Illusion vom Gleichgewicht
Was bleibt, ist ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit – eine „engineered reality“, wie Expertinnen wie Dr. Tamar Eilam Gindin es nennen. „Diese Fake-News-Kampagnen basieren auf Geschwindigkeit, nicht auf Wahrheit“, erklärt die Iran-Expertin der Universität Haifa. „Sie streuen so viele Fakes gleichzeitig, dass man kaum hinterherkommt mit dem Widerlegen.“
Die Botschaft, die dahintersteckt, ist durchschaubar: Iran will nicht als passives Ziel erscheinen, sondern als aktiver Gegner, der zurückschlägt. Auch wenn das Rückschlagen oft nur am Bildschirm geschieht. Für ein Regime, das unter innerem und äußerem Druck steht, ist selbst eine gefälschte Tat besser als keine.
Doch diese Strategie hat ihren Preis. Die Glaubwürdigkeit leidet – nicht nur international, sondern auch innerhalb der eigenen Reihen. Und wer zu oft die Unwahrheit verbreitet, wird irgendwann auch dann nicht mehr gehört, wenn er ausnahmsweise die Wahrheit sagt.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Montag, 16. Juni 2025