Eine blutige Spur zieht sich durchs Land: Israel kämpft mit einer Welle tödlicher Gewalt
Neun Morde in fünf Tagen – in jüdischen und arabischen Gemeinden. Die israelische Gesellschaft steht unter Schock, während die Politik schweigt.

Die Nachrichten dieser Tage wirken wie aus einem düsteren Drehbuch: Zwei Männer sterben bei einem Autobombenanschlag in Jaljulia, ein zehnjähriger Junge wird durch die Explosion verletzt. In Bat Yam tötet ein Mann seine Partnerin und springt danach vom Dach. In Lod, Netanja und Kfar Qassem werden junge Männer erschossen – mitten in Wohngebieten, in Restaurants, auf offener Straße. Und in Modiin sterben eine Mutter und ihr Sohn bei einem Wohnungsbrand, der wohl durch eine gezielte Brandstiftung ausgelöst wurde.
Neun Menschen innerhalb von fünf Tagen – das ist keine Statistik, das sind Familien, Nachbarn, Freunde. Allein im laufenden Jahr wurden 103 arabische Israelis ermordet, 14 Frauen sind landesweit Opfer tödlicher Gewalt geworden – 13 davon durch Partner oder enge Familienangehörige.
Israel sieht sich mit einem erschütternden Problem konfrontiert: Die Gewalt, die vor allem innerhalb der arabischen Bevölkerung eskaliert, ist längst kein Randphänomen mehr. Aber auch innerhalb der jüdischen Gemeinden wächst die Zahl brutaler Gewalttaten. Polizei und Sicherheitskräfte bemühen sich – doch immer häufiger stehen sie vor Ermittlungen, bei denen Täter spurlos verschwinden oder nie angeklagt werden. Es fehlt an Personal, an Vertrauen, an langfristigen Konzepten.
Im jüngsten Fall in Jaljulia konnte der Notarzt nur noch den Tod der beiden Männer feststellen. Der zehnjährige Junge, der zufällig vorbeifuhr, erlitt Verletzungen an den Beinen. Nur Stunden zuvor war in Bat Yam eine Frau in ihrer Wohnung erstochen worden – mutmaßlich von ihrem Partner, der sich stundenlang auf dem Dach verbarrikadierte, ehe er in den Tod sprang. Zeugen berichten von einer zerrütteten Beziehung, von Eifersucht, von häuslicher Gewalt, die niemand rechtzeitig gestoppt hat.
In Lod starb ein 20-jähriger Lieferdienstmitarbeiter durch Schüsse – und auch in Netanja wurde ein Mann umgebracht. Beide Fälle stehen möglicherweise in Zusammenhang mit lokalen kriminellen Netzwerken, doch die Ermittlungen sind noch im Gange.
Die Polizei hat in Lod immerhin drei Verdächtige festgenommen – ein erster Erfolg, der jedoch kaum über das strukturelle Problem hinwegtäuscht. In zu vielen Fällen bleibt die Frage offen, wer verantwortlich ist – und warum niemand ihn aufhält.
Auch die Tat in Modiin lässt Fassungslosigkeit zurück: Eine Mutter und ihr 13-jähriger Sohn sterben im eigenen Zuhause, Hinweise deuten auf eine vorsätzliche Brandstiftung hin. Die Ermittler gehen aktuell von einem erweiterten Suizid aus, doch die Details sind tragisch – und das Motiv bleibt unklar.
Und dann ist da noch der Fall aus Malle Levona in der Region Binyamin: Eine 73-jährige Frau wird tot in ihrem Haus gefunden, ihr Sohn gesteht die Tat, verweist jedoch auf seine psychische Erkrankung. Es ist ein weiterer Einzelfall, der dennoch in ein düsteres Gesamtbild passt.
Was sich in diesen Tagen abspielt, ist kein Einzelfänomen mehr. Es ist eine tieferliegende Krise, die nicht nur die Strafverfolgung betrifft, sondern auch die soziale und gesellschaftliche Stabilität des Landes. Das Vertrauen in die Institutionen schwindet, vor allem unter arabischen Israelis – aber auch viele jüdische Bürger fühlen sich allein gelassen.
Und während auf der Straße Menschen sterben, schweigt die Politik. Premierminister Benjamin Netanjahu? Kein Wort. Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir? Keine Stellungnahme. Stattdessen interne Kämpfe, strategisches Schweigen, Prioritäten, die offenbar anders gesetzt werden.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Polizei Israel
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 3. Juni 2025