„Wir leben nur, um zu sterben“ – Der Aufstand gegen die Hamas wächst mitten im Hunger der Hölle von Gaza
Während der Westen noch über Hilfslieferungen diskutiert, wagen mutige Palästinenser das Undenkbare: Sie stellen sich öffentlich gegen die Hamas – trotz Folter, Hunger und Lebensgefahr.

Es ist ein Satz, der sich wie ein Faustschlag anfühlt: „Wir leben nur, um zu sterben.“ Mit diesen Worten beginnt Khaled Salam, ein mutiger Einwohner des Gazastreifens, das Gespräch mit einer israelischen Journalistin. Seine Stimme zittert nicht vor Angst, sondern vor Entschlossenheit. Mehr als 600 Tage nach Beginn des Krieges, der durch das Massaker vom 7. Oktober ausgelöst wurde, regt sich in Gaza eine Bewegung, die bislang kaum denkbar schien: Widerstand gegen die eigene Unterdrückung – gegen die Hamas.
Gaza ist nicht nur eine zerstörte Stadt, es ist ein Ort, an dem der Hunger zum Alltagsgeräusch geworden ist, wo Kinder mit leerem Magen einschlafen, und Mütter ihre Tränen verbergen, um den letzten Rest Würde zu bewahren. Und inmitten dieses Elends gibt es Menschen wie Salam, die sich erheben – nicht mit Waffen, sondern mit Worten. Er ist einer von vier Palästinensern, die sich im israelischen Magazin N12 zu Wort meldeten. Ihr gemeinsamer Appell ist unmissverständlich: „Wir sind nicht Hamas. Wir wollen leben.“
Doch was bedeutet es, sich in Gaza offen gegen die Hamas zu stellen? In einem Gebiet, wo allein das Gespräch mit israelischen Medien mit Haft oder Folter geahndet wird, ist jedes Interview ein Akt des zivilen Heldentums. Salam spricht unter einem Pseudonym – und dennoch ist seine Stimme lauter als je zuvor. Seit 2019 organisiert er Proteste gegen die Hamas. Damals rief seine Bewegung „Wir wollen leben!“ Tausende auf die Straßen. Heute sind es nur noch wenige. Denn die Hamas hat gelernt, jeden Widerstand im Keim zu ersticken – durch Gewalt, Einschüchterung, Mord.
Salam berichtet von einer Hölle, die kein westlicher Fernsehsender je wirklich abbilden kann. Der Preis für einen Sack Mehl beträgt umgerechnet 600 Dollar – fast 2.000 Schekel. Ein einzelnes Kilo kostet über 100 Schekel. Selbst Hilfslieferungen, die unter internationalem Druck durchgelassen werden, landen nicht bei den Bedürftigen, sondern auf dem Schwarzmarkt – verkauft von der Hamas selbst. „Sie haben sogar das Mehl aus den Emiraten gestohlen“, sagt Salam. „Und niemand hält sie auf.“
Diese Aussagen sind keine Einzelfälle. Immer mehr Berichte erreichen israelische Journalistinnen in der Nacht – geflüstert, mit gebrochener Stimme, anonym. Sie erzählen alle die gleiche Geschichte: Hunger, Angst, die totale Hoffnungslosigkeit. Doch auch: die klare Abkehr von der Hamas. Der Angriff vom 7. Oktober? „Ein Verbrechen“, sagt Salam. „Wer Kinder und Frauen entführt, ist geisteskrank. Hamas vertritt uns nicht.“
Diese Worte könnten sein Todesurteil sein. Doch Salam spricht weiter. Und er ist nicht allein. In Gaza entsteht, leise und unbemerkt, etwas Neues: eine Opposition. Eine Gruppe, die sich selbst als „die Rebellen“ bezeichnet und das „Danach“ vorbereiten will – eine Zukunft ohne Hamas. Ihre Vision: eine sichere Zone, frei vom Terror, offen für humanitäre Hilfe. Ein Gaza, das nicht mehr zur Geisel der Islamisten wird.
Doch kann diese Bewegung wirklich etwas verändern? Die Hamas ist bewaffnet, organisiert, skrupellos. Sie hat Männer wie Odai al-Rabai, gerade einmal 22 Jahre alt, ermordet – nur weil er während des Krieges protestierte. Salam weiß, dass seine Gruppe allein keine Chance hat. Doch er appelliert an Israel und den Westen: „Hört uns zu. Helft uns. Arbeitet mit uns. Wir sind der Schlüssel für eine Zukunft ohne Terror.“
Die Realität bleibt grausam: Während die Hamas weiter Dörfer in Israel beschießt, während sie 58 Geiseln in ihrer Gewalt hält, stirbt Gaza jeden Tag ein wenig mehr. Aber was sich jetzt zeigt, ist etwas Unerwartetes: Die Menschen beginnen, sich gegen ihre Peiniger zu wenden. Nicht alle. Noch nicht viele. Aber genug, um Hoffnung zu wecken – Hoffnung, dass Gaza nicht für immer verloren ist.
Die Frage ist nur, ob die Welt bereit ist, hinzusehen. Und ob sie den Mut hat, zwischen Hamas und den Menschen in Gaza zu unterscheiden. Wer beides nicht tut, überlässt die Zivilbevölkerung weiter einem Regime der Angst. Und damit genau dem Terror, der am 7. Oktober auch Israel in den Abgrund reißen wollte.
Autor: Bernd Geiger
Artikel veröffentlicht am: Samstag, 31. Mai 2025