Hamas bricht auseinander: Nach dem Tod von Muhammad Sinwar kocht der interne Machtkampf
Der Riss zwischen der politischen Führung in Katar und der militärischen Kommandostruktur in Gaza wird offen sichtbar – Hunger, Wut und Machtkampf treiben die Terrororganisation an den Rand des Zusammenbruchs.

Es sind Szenen, die selbst innerhalb einer skrupellosen Terrororganisation wie der Hamas kaum drastischer sein könnten: Nur einen Tag nach der Freilassung des israelisch-amerikanischen Soldaten Idan Alexander treffen israelische Luftangriffe gezielt die oberste Führung der Hamas-Kämpfer in Gaza. Muhammad Sinwar, der als einer der letzten verbliebenen Köpfe der militärischen Kommandostruktur galt, wird mutmaßlich bei einem Treffen mit weiteren Kommandeuren getötet. Israel schweigt offiziell zu der Operation – doch innerhalb der Hamas brodelt es so sehr wie nie zuvor.
Was folgt, ist keine taktische Meinungsverschiedenheit – sondern ein offener Bruch zwischen der militärischen und der politischen Führung der Hamas. Zwischen Gaza und Doha ist ein tiefer Graben entstanden. Ein Graben, der nicht nur den Tod Sinwars erklärt, sondern auch den unübersehbaren Zerfall einer Organisation dokumentiert, die längst von innen zerfressen ist – durch Misstrauen, Machtgier, finanzielle Auszehrung und einen zunehmend aussichtslosen Krieg gegen Israel.
Ein geplatzter Deal – und seine tödlichen Folgen
Den Anfang nimmt die Eskalation mit dem Druck aus Katar. Wie aus internen Quellen der Terrororganisation bekannt wurde, drängte Doha massiv auf die Freilassung von Idan Alexander – wohl als symbolisches Entgegenkommen gegenüber den USA. Khalil al-Hayya, der führende Verhandler der Hamas, beugte sich dem diplomatischen Gewicht der Kataris. Die militärische Führung in Gaza widersprach heftig, doch al-Hayya ordnete die Freilassung an – ein Alleingang, der als Verrat empfunden wurde.
Nur Stunden später schlagen israelische Jets zu. Nicht irgendwo – sondern mitten in einer offenbar laufenden Sitzung hochrangiger Hamas-Kommandeure. Muhammad Sinwar stirbt, ebenso weitere Mitglieder des militärischen Apparats. Innerhalb der Hamas in Gaza macht sich die Überzeugung breit: Der Angriff sei eine direkte Folge des Kompromisses mit Katar. Eine fatale Schwächung der militärischen Schlagkraft – und das bei ohnehin verheerender Versorgungslage.
Interner Zusammenbruch – Misstrauen und Machtvakuum
Wütend und ohnmächtig ziehen die Kommandostrukturen in Gaza die Reißleine: Der Kontakt zur politischen Führung im Ausland wird vollständig abgebrochen. Seit mehreren Tagen herrscht Funkstille – ein beispielloser Vorgang, der den tiefen Vertrauensbruch markiert.
In saudischen Medien ist mittlerweile sogar von einem „noch nie dagewesenen internen Zusammenbruch“ der Hamas die Rede. Aus den Reihen der Organisation heißt es, man stecke in der schwersten Krise seit Bestehen: wirtschaftlich, organisatorisch, ideologisch. Bereits seit Monaten erhalten die „Staatsbediensteten“ in Gaza – also diejenigen, die unter Hamas-Herrschaft Ämter bekleiden – keine vollen Gehälter mehr. Im letzten Quartal wurden umgerechnet kaum 220 Euro pro Person ausgezahlt. Auch die Kommandeure der militärischen Einheiten warten seit über drei Monaten auf Lohnzahlungen.
Noch gravierender: Die finanziellen Zuwendungen an Familien von getöteten oder verletzten Kämpfern sowie an inhaftierte Terroristen wurden eingestellt. Die Notfallkomitees, die bisher als Schattenverwaltungen funktionierten, sind weitgehend lahmgelegt. Die Organisation – im Innersten ihrer Struktur geschwächt – beginnt zu implodieren.
Hunger und Hoffnungslosigkeit – der Alltag in Gaza
Zugleich verschärft sich die humanitäre Lage in Gaza dramatisch. Israel lässt weiterhin Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen, doch nur ein Teil dieser Lieferungen kommt tatsächlich bei der notleidenden Bevölkerung an. Viele der Waren werden von Hamas-Einheiten beschlagnahmt, in Lagern versteckt oder über den florierenden Schwarzmarkt verkauft – eine perfide Strategie, die das eigene Volk als Geisel nimmt.
Dennoch dringen erschütternde Bilder aus dem Zentrum Gazas nach außen: Hungrige Menschen stürzen sich auf LKWs mit Lebensmitteln, belagern Konvois – immer wieder abgesichert von schwer bewaffneten Hamas-Kämpfern, die teilweise Warnschüsse abfeuern, um die Kontrolle zu behalten. Was als Versorgung geplant war, gerät zum Schauplatz des blanken Überlebenskampfes – unter den Augen derer, die vorgaben, die Bevölkerung zu vertreten.
Ein Symbol für das Scheitern
Der Name Muhammad Sinwar steht längst nicht mehr nur für einen militärischen Anführer, sondern für das, was von der Hamas übriggeblieben ist: eine zersplitterte, zutiefst gespaltene Organisation ohne klare Führung, ohne Strategie, ohne moralisches Fundament. Die politische Vertretung in Katar wirkt abgekoppelt von der Realität vor Ort, beschäftigt mit diplomatischem Pokerspiel, während in Gaza Chaos und Hunger regieren.
Die Hamas ist an einem Punkt angekommen, an dem sie nicht nur den Krieg gegen Israel verliert – sondern auch die Kontrolle über sich selbst. Das eigentliche Drama spielt sich nicht mehr nur an der Grenze ab, sondern im Innersten der Organisation. Der Tod Sinwars, so bitter er für seine Anhänger sein mag, ist in Wahrheit ein Menetekel für eine Ideologie, die sich selbst auffrisst.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Montag, 26. Mai 2025