GHF in der Krise: Rücktritt des Gründers enthüllt tiefe Zerwürfnisse in humanitärer Hilfe für Gaza
Jake Wood wirft hin – wegen Prinzipien, politischem Druck und einer drohenden Aushöhlung des humanitären Auftrags.

Jake Wood, Gründer und Direktor der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), ist am Montag zurückgetreten – und mit ihm fällt ein Schatten auf ein Projekt, das einst als Hoffnungsschimmer für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen galt. Doch seine Erklärung offenbart mehr als nur persönliche Enttäuschung: Sie steht für ein grundsätzliches Scheitern der Idee, Hilfe dorthin zu bringen, wo sie dringend gebraucht wird – ohne dabei Teil politischer oder militärischer Kalküle zu werden.
Wood begründete seinen Rückzug mit einem fundamentalen Bruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Mission könne, so erklärte er, nicht mehr in einer Weise umgesetzt werden, die den humanitären Prinzipien von Menschlichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit gerecht werde. Diese nüchterne Feststellung lässt aufhorchen, denn sie kommt nicht von einem außenstehenden Kritiker, sondern von dem Mann, der GHF mit aufgebaut hat – und damit auch mit der Hoffnung, einen Weg zu finden, wie Hilfe in einem hochkomplexen Kriegskontext neutral geleistet werden kann.
In seiner Rücktrittserklärung machte Wood deutlich, dass für ihn nur ein Weg zu dauerhaftem Frieden führt: die Freilassung aller Geiseln, das Ende der Kämpfe und die Wahrung von Würde für alle Menschen in der Region. Ein starkes Statement – das jedoch auch zwischen den Zeilen anklingen lässt, dass GHF diesen Weg aus seiner Sicht nicht mehr beschreitet.
Was ist geschehen?
Mehrere Entwicklungen haben den Rücktritt offenbar beschleunigt. Laut Washington Post stehen GHF-Pläne in der Kritik, wonach Nahrungsmittelhilfe nur in bestimmten Regionen des Gazastreifens verteilt werden soll. Das könnte dazu führen, dass Zivilisten weite Wege durch aktive Kampfzonen zurücklegen müssen, um an Hilfsgüter zu gelangen – ein Szenario, das nicht nur gegen die Sicherheitsinteressen der Zivilbevölkerung verstößt, sondern auch gegen die ethischen Grundsätze der humanitären Arbeit. Es ist daher nicht verwunderlich, dass andere Organisationen auf Distanz zu GHF gegangen sind – darunter auch UNO-nahe Akteure.
Noch schwerwiegender ist jedoch der Vorwurf, GHF könne indirekt dazu beitragen, dass Israel bestimmte Gebiete in Gaza „leerräumt“, um seine militärischen Ziele zu erreichen. Humanitäre Hilfe als Mittel zur Bevölkerungsverschiebung – dieser Verdacht ist toxisch und trifft ins Herz des humanitären Selbstverständnisses. Wood hat offensichtlich erkannt, dass ein solches Risiko nicht akzeptabel ist – und konsequent die Reißleine gezogen.
Auch von israelischer Seite gab es offenbar Druck. Laut Ynet deutete Wood an, dass Drohungen gegen die Unabhängigkeit der GHF im Raum standen – ein brisanter Vorwurf, der zeigt, wie schnell selbst gut gemeinte Hilfe zum Spielball geostrategischer Interessen wird.
Dazu kommt: GHF ist auf wackeligen Beinen unterwegs. Mehrere Geberstaaten aus Europa und Asien haben sich zurückgezogen, der Finanzierungsrahmen ist unsicher, und selbst die Logistik ist nicht geklärt. Zwar wird Israel als Kooperationspartner genannt, doch die Koordination mit der IDF – insbesondere bei der geplanten Absicherung der Hilfskonvois durch private Sicherheitsdienste – bleibt ein ungelöstes Problem. Man kann schwerlich neutral sein, wenn man sich in einem derart umkämpften Raum militärisch absichern muss.
Trotzdem bleibt GHF öffentlich optimistisch. Der Vorstand teilte mit, man werde ab Montag mit der direkten Lieferung von Hilfsgütern beginnen – mit dem Ziel, bis Ende der Woche über eine Million Menschen zu erreichen. Worte, die Hoffnung machen sollen, aber nicht überdecken können, dass eine zentrale Figur ausgestiegen ist – und zwar mit einem klaren Votum gegen den derzeitigen Kurs.
Wood wurde von der Stiftung zwar gewürdigt – seine „Leidenschaft“ und „Fortschritte“ wurden hervorgehoben – aber gleichzeitig wurde Kritik laut gegen jene, die von Anfang an „nur auf Zerstörung aus waren“. Ein Seitenhieb, der sich offenbar gegen Kritiker aus der UN und anderen Hilfsorganisationen richtet – aber auch gegen Wood selbst gelesen werden kann.
Ein weiteres Signal der Krise kam am Wochenende, als geplante Hilfslieferungen nicht wie angekündigt beginnen konnten. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag blieben die Zentren geschlossen. Der Beginn der Hilfe verschiebt sich weiter – und die Glaubwürdigkeit der Stiftung leidet mit jedem Tag, der verstreicht.
Besonders brisant: Die Schweizer Behörden prüfen derzeit eine mögliche rechtliche Untersuchung gegen GHF. Auslöser war eine Eingabe der NGO TRIAL International, die klären lassen will, ob die Stiftung überhaupt im Einklang mit dem Schweizer und internationalen Recht handelt. Dass ein solches Verfahren überhaupt diskutiert wird, sagt viel über den Zustand der Organisation.
Inmitten all dieser Brüche und Widersprüche bleibt eine bittere Erkenntnis: Wenn selbst eine Stiftung, die unter der Ägide der Schweiz, der USA und Israels gegründet wurde, nicht in der Lage ist, glaubwürdig, neutral und unabhängig Hilfe zu leisten, stellt sich die grundsätzliche Frage, wie überhaupt noch humanitäre Hilfe in Gaza funktionieren soll. Die Bevölkerung leidet, während politische Interessen, militärische Realitäten und organisatorische Schwächen echte Hilfe verhindern.
Jake Wood hat mit seinem Rücktritt ein Zeichen gesetzt. Ein spätes, aber wichtiges. Und vielleicht eines, das deutlich macht: Humanitäre Hilfe darf kein Feigenblatt sein. Sie muss wieder das werden, was sie sein sollte – ein Schutzraum für Menschlichkeit, selbst inmitten des Krieges.
Autor: Redaktion
Artikel veröffentlicht am: Montag, 26. Mai 2025