Israel kämpft – aber Hamas lebt weiter: Warum der Krieg in Gaza sich immer weiter zieht


Die IDF hat einen der wichtigsten Hamas-Führer wohl getötet – doch der Terror lebt weiter.

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Der Tod von Mohammed Sinwar am 13. Mai sollte ein Wendepunkt sein. Der Mann, der seit dem Tod seines Bruders Yahya Sinwar als Strippenzieher im Gazakrieg galt, wurde von der israelischen Armee offenbar gezielt getötet – mit einem präzisen Luftangriff auf ein Tunnelsystem unter einem Krankenhaus. Ein chirurgischer Schlag ins Herz der Hamas. Doch was folgte, war keine Implosion der Terrororganisation. Kein Zerfall der Kommandostrukturen. Kein Aufgeben. Stattdessen: Stille. Und dann – weiter Widerstand.

Das wirft unbequeme Fragen auf. Was ist von einer Terrororganisation zu halten, deren Führungsspitze ausgelöscht ist, deren Waffenarsenale geplündert sind, deren Tunnelnetz schwer beschädigt wurde – und die dennoch nicht zusammenbricht? Die Antwort ist erschreckend: Hamas ist mehr als eine Hierarchie. Sie ist ein System. Und dieses System lässt sich nicht mit einem einzigen, gezielten Schlag zerschlagen.

Die israelische Armee, die seit über sieben Monaten in Gaza operiert, hat massive Erfolge erzielt. Fast alle strategischen Tunnel sind zerstört. Die Fähigkeit, Raketen auf israelisches Gebiet zu feuern, wurde schon im Januar gebrochen. Doch Hamas bleibt gefährlich. Nicht, weil sie militärisch stark wäre. Sondern weil sie sich auflöst, zersplittert, ungreifbar wird – und gleichzeitig in der zivilen Bevölkerung weiteratmet.

Ein Terrornetzwerk ohne Zentrum

Was den Krieg so quälend lang macht, ist die neue Erkenntnis der IDF: Es gibt kein Zentrum mehr, das man erobern müsste, um den Feind zu besiegen. Kein einzelnes Hauptquartier, keine Schlüsselperson, kein Stadtviertel, das man einnimmt – und dann ist alles vorbei. Stattdessen: verstreute Terrorzellen, anonym, schlecht bewaffnet, oft getarnt in den sogenannten humanitären Zonen. Wer dort kämpft, lebt unter Frauen und Kindern, nutzt Krankenhäuser als Waffenlager und Moscheen als Kommandoposten.

Das strategische Ziel Israels ist deshalb ein anderes geworden: Zermürbung. Die IDF verfolgt einen Plan, der auf Zeit setzt. Jede Nacht werden neue Terroristen gejagt. Jeder Tag bringt weitere Zerstörungen ihrer Infrastruktur. Die Lebensmittelversorgung in Gaza wird zunehmend von Israel kontrolliert – nicht, um die Menschen zu bestrafen, sondern um ihnen zu zeigen, dass es Alternativen zur Herrschaft der Hamas gibt. Das Kalkül: Wenn die Bevölkerung erkennt, dass der Terror keine Zukunft mehr bringt, wird sie sich abwenden.

Doch der Preis ist hoch – moralisch, militärisch, politisch.

Die trügerische Hoffnung auf einen Führungswechsel

Ein Hoffnungsschimmer war, dass mit dem Tod Sinwars die Kommandostruktur der Hamas kollabiert. Doch wie ein Hydra wächst ein neuer Kopf, wo ein alter abgeschlagen wurde. Wer genau aktuell das operative Kommando hat, weiß niemand mit Sicherheit. Auch die IDF gibt sich bedeckt. Klar ist nur: Solange Hamas noch über die Geiseln verfügt – 58 insgesamt, etwa 21 davon vermutlich am Leben –, besitzt sie eine letzte, brutale Trumpfkarte.

Die USA hoffen deshalb weiterhin auf Verhandlungen. Sie bitten Israel, die Großoffensive noch hinauszuzögern. Vielleicht gibt es noch einen Deal. Vielleicht kann noch ein Teil der Geiseln lebend zurückgeholt werden. Netanyahu hat sich offen dafür gezeigt – ein temporärer Waffenstillstand wäre für ihn akzeptabel, wenn es um Leben geht. Doch Israel hat klargemacht: Sobald die Bodenoffensive beginnt, gibt es kein Zurück. Keine weiteren Verhandlungen, keine Rückzüge. Dann wird durchgegriffen – mit aller Konsequenz.

Hamas ist nicht besiegt – aber verwundet

Militärisch gesehen ist Hamas ein Schatten ihrer selbst. Von über 15.000 Raketen vor dem Krieg sind nur wenige Dutzend übrig. Der Beschuss Israels ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Tausende Kämpfer wurden getötet, viele weitere sind auf der Flucht. Doch eine genaue Zahl der verbliebenen Hamas-Kämpfer nennt die IDF nicht mehr. Schätzungen sprechen von 20.000 bis 25.000 – fast so viele wie zu Beginn des Krieges. Der Unterschied: Sie sind schlechter bewaffnet, isoliert und unkoordiniert. Aber eben noch da.

Hinzu kommt das Netzwerk der Tunnel. Trotz aller Zerstörung finden die Soldaten beinahe täglich neue unterirdische Gänge. Es ist ein Alptraum – ein endloser, schwarzer Bau unter der Erde, durch den sich Terroristen, Waffen und Geiseln bewegen, unsichtbar für Drohnen, unauffindbar für Spione. 75 Prozent der Tunnel sollen noch bestehen. Die großen, strategischen Anlagen sind zwar weitgehend zerstört – aber das unterirdische Leben der Hamas geht weiter.

Was sich in Gaza abspielt, ist kein klassischer Krieg. Es ist ein Kampf gegen eine Idee, ein Schattengefecht gegen eine zersplitterte, aber tief verwurzelte Macht. Hamas ist nicht mehr das, was sie einmal war – aber sie ist auch nicht verschwunden. Und das macht diesen Krieg so zermürbend. Jeder Fortschritt muss erkämpft werden, jeder kleine Erfolg bedeutet einen hohen Preis.

Israel hat sich entschieden, diesen Kampf bis zum Ende zu führen. Nicht wegen Rache, nicht wegen Stolz. Sondern, weil es keine Alternative gibt. Ein Gaza mit Hamas bedeutet permanente Bedrohung. Und ein dauerhafter Friede wird nur möglich sein, wenn dieser Terror wirklich, vollständig, sichtbar zusammenbricht – nicht nur in den Augen der Welt, sondern in den Herzen der Menschen in Gaza.

Bis dahin bleibt nur eines: Standhaftigkeit.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF

Artikel veröffentlicht am: Sonntag, 25. Mai 2025

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