Iran rudert zurück – doch nur, um Zeit zu gewinnen?
Zum ersten Mal seit Monaten signalisiert Teheran Bereitschaft, Daten über hochangereichertes Uran offenzulegen. Doch hinter dem vermeintlichen Kurswechsel steckt wohl keine echte Einsicht – sondern ein Versuch, Sanktionen im letzten Moment abzuwenden.

Die iranische Führung hat überraschend angekündigt, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Informationen über ihre Bestände an hochangereichertem Uran vorzulegen. Dabei geht es um Material, das nach den gezielten Angriffen der USA und Israels auf iranische Atomanlagen im Juni in unbekanntem Zustand zurückblieb. Nach westlichen Schätzungen verfügte Iran zuletzt über mehr als 400 Kilogramm auf 60 Prozent angereichertes Uran – eine Menge, die in kürzester Zeit waffenfähig gemacht werden könnte.
Dass Teheran nun bereit ist, erstmals konkrete Angaben zu machen, kommt nicht von ungefähr. Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben Ende August den sogenannten Snapback-Mechanismus aktiviert, der automatisch alle UN-Sanktionen gegen Iran wiedereinsetzt, sollten die Forderungen nach Transparenz und Kooperation nicht erfüllt werden. Die Frist läuft Ende September aus. Für die Mullahs steht viel auf dem Spiel: Ein vollständiger Rückfall in harte UN-Sanktionen würde die fragile iranische Wirtschaft erneut in die Knie zwingen. Schon jetzt beträgt die Inflationsrate über 40 Prozent, und das Land verliert Monat für Monat Milliarden Euro an Investitionen.
In Kairo soll heute ein entscheidendes Treffen zwischen Irans Außenminister Abbas Araghchi und IAEA-Chef Rafael Grossi stattfinden. Dort will Teheran ein „Kooperationsabkommen“ vorstellen, das angeblich vorsieht, binnen eines Monats detaillierte Berichte über den Uranbestand vorzulegen und anschließend technische Gespräche über Kontrollen zu führen. Doch selbst in Iran ist die Skepsis groß. Konservative Politiker warnen, dass die Offenlegung westlichen Diensten helfen könnte, weitere Schläge gegen Nuklearanlagen zu planen.
Im Westen überwiegt die Annahme, dass es sich um ein Manöver handelt, um Zeit zu gewinnen. Iran habe erkannt, dass die bisher gepflegte Strategie der „strategischen Unklarheit“ – das Verschweigen von Mengen und Standorten – inzwischen mehr schadet als nützt. Denn gerade die Unsicherheit über den Verbleib der Bestände könnte Israel und die USA zu erneuten Militärschlägen verleiten.
Parallel versucht Teheran offenbar auch, den geheimen Gesprächskanal zu Washington wiederzubeleben. Oman, das in den vergangenen Jahren mehrfach als Vermittler diente, berichtet von neuen Kontakten zwischen Araghchi und dem US-Sondergesandten. Doch die Hürde bleibt hoch: Präsident Donald Trump lehnt eine Garantie ab, während möglicher Gespräche auf weitere Angriffe zu verzichten.
Für Europa ist die Lage delikat. Offiziell sollen drei Bedingungen erfüllt werden, um den Snapback noch abzuwenden: Offenlegung der Uranmengen, Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der IAEA und Rückkehr an den Verhandlungstisch mit den USA. Doch auch in Paris, Berlin und London wächst das Misstrauen, ob Teheran mehr liefern will als Papier und Versprechungen.
Iran hat schon mehrfach in letzter Minute Zugeständnisse angekündigt, nur um danach auf Zeit zu spielen. Deshalb ist der angebliche Kurswechsel kein Beleg für eine echte Abkehr vom Atomprogramm, sondern Teil derselben Taktik: Lavieren, beschwichtigen, verschleppen – bis sich die internationale Aufmerksamkeit wieder einem anderen Krisenherd zuwendet.
Am Ende bleibt die Frage: Hat die Weltgemeinschaft die Entschlossenheit, diesmal nicht wieder auf das altbekannte iranische Spiel hereinzufallen?
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Khameni.ir+ By Parsa 2au CC BY-SA 4.0 Wikimedia
Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 9. September 2025