In Teheran wächst die Angst vor Israels unsichtbarer Hand
Während Teheran offiziell schweigt, sprechen anonyme Regimevertreter von gezielten Angriffen. Jeden Tag neue Explosionen, jeden Tag mehr Angst – das Regime versucht die Kontrolle zu wahren, doch das Vertrauen bröckelt.

In den Straßen von Teheran riecht es nach verbranntem Plastik. In den Trümmern eines Wohnhauses in Qom suchen Helfer nach Vermissten. In Bandar Abbas steht ein Öltanker halb verkohlt im Hafenbecken. Was auf den ersten Blick wie eine Serie unglücklicher Unfälle erscheint, entpuppt sich immer mehr als etwas anderes – als verdeckter Krieg. Ein Krieg, der sich nicht mehr mit Raketen und Panzern austrägt, sondern mit Lecks, Funken, Fernzündern – und der Angst, die sie hinterlassen.
Offiziell spricht Irans Regime von technischen Defekten, von alten Rohren und schlecht gewarteten Gasanschlüssen. Doch hinter verschlossenen Türen – das berichtet die New York Times – ist die Sprache eine andere: Mehrere hochrangige Quellen, darunter Mitglieder der Revolutionsgarden, sagen, was die Öffentlichkeit nicht hören soll. Die Explosionen und Brände der letzten Wochen seien „gezielte Sabotageakte“, mutmaßlich von Israel durchgeführt. Es wäre nicht das erste Mal. Doch diesmal könnte der Preis höher sein als je zuvor.
Eine Serie voller Warnzeichen
Was in den iranischen Medien als Bagatelle abgetan wird, ist in Wirklichkeit eine beunruhigende Serie: Brände in Raffinerien, Explosionen in Wohnhäusern, mysteriöse Detonationen nahe dem Flughafen von Maschhad. Die Zwischenfälle ereignen sich in auffällig kurzen Abständen, oft ohne erkennbare Ursache – und immer öfter mit Todesopfern. Allein in Abadan wurde bei einem Brand ein Mensch getötet, mehrere weitere verletzt, die Infrastruktur der Ölstadt schwer beschädigt.
In Qom krachte ein gesamtes Wohnhaus in sich zusammen – angeblich durch ein Gasleck verursacht. Doch zwei Regierungsbeamte erklärten anonym: Die Wohnung sei zuvor von verdächtigen Personen gemietet worden, die kurz vor der Explosion verschwunden seien. In Teheran traf eine Detonation sogar ein Wohnprojekt für Justizangestellte – eine unmissverständliche Botschaft. „Sogar Richter sind nicht mehr sicher“, warnte ein Sicherheitsberater.
Die Spuren deuten auf ein Muster hin. Ein europäischer Diplomat, der mit der Lage in Iran vertraut ist, bestätigte gegenüber der New York Times: „Diese Art der Vorfälle passt exakt zu Israels Vorgehen in der Vergangenheit – Sabotage, psychologische Kriegsführung, asymmetrische Operationen.“
Die Angst vor der Reaktion
Warum also schweigt Teheran öffentlich? Warum beschuldigt man Israel nicht offen, wenn man doch im Inneren längst davon überzeugt ist? Die Antwort liegt in der politischen Lage nach dem Zwölf-Tage-Krieg mit Israel: Die Waffenruhe ist brüchig. Ein offizieller Vorwurf würde das Regime in die Pflicht nehmen zu reagieren – und damit riskieren, dass der Krieg mit voller Wucht zurückkehrt.
„Wir befinden uns nicht in einer Feuerpause, sondern in einem äußerst fragilen Schwebezustand“, erklärte Mehdi Mohammadi, Berater des Parlamentspräsidenten. „Jede falsche Bewegung kann zum offenen Krieg führen.“ Daher bleibt man in den iranischen Staatsmedien vorsichtig: Man spricht von „defekten Geräten“, „unsachgemäßer Nutzung“ oder „altem Material“. Für das einfache Volk wirkt das zunehmend wie eine Farce.
„Natürlich ist das Israel“, sagt Mohammad, ein Galerist aus der Provinzstadt Kaschan. „Wer sonst könnte so viele gezielte Explosionen auslösen, ohne dass es Spuren gibt? Und wir alle spüren: Die Ruhe trügt. Der Krieg steht wieder vor der Tür.“
Eine bewährte Strategie aus Israel?
Seit Jahren setzt Israel auf gezielte, verdeckte Operationen, um die iranische Bedrohung zu untergraben – sei es durch Cyberangriffe wie beim Stuxnet-Virus, durch gezielte Tötungen von Nuklearwissenschaftlern oder durch Sabotage in Industrieanlagen. Der aktuelle Bericht reiht sich ein in dieses bekannte Muster – nur dass diesmal der psychologische Effekt größer ist als je zuvor.
Denn es sind nicht nur militärische Einrichtungen, die betroffen sind. Es sind Wohnhäuser, Büros, ganze Stadtteile. Die Botschaft ist klar: Es gibt keinen sicheren Ort. Das Misstrauen wächst – gegenüber dem Staat, den Nachbarn, ja sogar den eigenen Gasleitungen.
„Es ist ein Krieg der Nerven“, sagt ein westlicher Geheimdienstler, der ungenannt bleiben möchte. „Wenn man nicht weiß, ob die Explosion im Nachbarhaus ein Unfall war oder eine Operation, dann bricht das Vertrauen zusammen – und das ist der wahre Sieg solcher Aktionen.“
Ein Regime unter Druck
Für das iranische Regime ist die Lage heikel. Das System lebt von Kontrolle, von Überwachung und vom Anspruch, seine Bevölkerung schützen zu können. Doch die jüngste Sabotagewelle legt die Schwächen offen – und zeigt, wie tief die israelischen Geheimdienste offenbar operieren können, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Der israelische Verteidigungsapparat äußert sich – wie üblich – nicht zu den Vorwürfen. Doch die Dynamik spricht für sich: Nach dem Iran-Krieg scheint Jerusalem nicht gewillt, dem Regime in Teheran Zeit zur Erholung zu lassen. Die Waffen schweigen – aber der Kampf geht weiter, nur eben auf anderer Ebene.
Für die Menschen in Iran jedoch wird jeder Tag zur Belastungsprobe. Jeder Funke kann Angst auslösen, jeder Brand zur Panik führen. Und viele ahnen: Das ist erst der Anfang.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot Instagram
Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 23. Juli 2025