Teheran wirft IAEA Parteinahme vor – Iran beschuldigt UN-Behörde nach israelischem Luftschlag
Ein iranischer Sprecher attackiert IAEA-Chef Rafael Grossi scharf – und inszeniert sich als Opfer einer globalen Verschwörung. Die Fakten sprechen eine andere Sprache.

In einer wütenden Reaktion auf ein CNN-Interview mit Rafael Grossi, dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), hat der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmaeil Baghaei, der UN-Behörde am Donnerstag „Komplizenschaft“ mit Israel vorgeworfen. Grossi hatte erklärt, es gebe keine Beweise für ein systematisches iranisches Atomwaffenprogramm – eine Feststellung, die der offiziellen Linie Teherans scheinbar in die Hände spielt. Doch Baghaei sieht darin nicht Entlastung, sondern eine späte, folgenreiche Unterlassung. In einem wütenden Beitrag auf X (ehemals Twitter) schrieb er: „Das kommt zu spät, Herr Grossi.“
Diese Äußerung ist mehr als nur ein diplomatischer Seitenhieb. Sie markiert eine neue Eskalationsstufe im ohnehin angespannten Verhältnis zwischen dem iranischen Regime, Israel und der IAEA. Baghaei beschuldigte die Atomenergiebehörde, mit ihrer Resolution gegen Iran indirekt den jüngsten Luftschlägen Israels Vorschub geleistet zu haben. „Sie haben das Nichtverbreitungsregime verraten“, warf er Grossi vor. Die IAEA sei durch ihre angeblich „irreführende Erzählung“ zu einem Werkzeug eines „ungerechten Angriffskriegs“ geworden – gemeint ist Israels gezielte Attacke auf Irans Atominfrastruktur in der Nacht zum 16. Juni.
Diese ungewöhnlich scharfen Worte fielen nur Tage nach einem Sondertreffen des IAEA-Gouverneursrats, bei dem die israelischen Angriffe auf iranische Nuklearanlagen Thema waren. Während die IAEA sich traditionell jeder politischen Stellungnahme enthält, sah sich Grossi angesichts der dramatischen Lage offenbar gezwungen, öffentlich klarzustellen: Es gebe derzeit keine Hinweise auf ein geheimes Atomwaffenprogramm Irans. Doch dass ausgerechnet dieser Satz jetzt zum Stein des Anstoßes wird, zeigt, wie tief das Misstrauen reicht – und wie geschickt das iranische Regime internationale Institutionen für die eigene Propaganda zu instrumentalisieren versucht.
Denn das eigentliche Ziel der iranischen Kritik ist nicht Rafael Grossi. Es ist Israel.
Israels gezielte Luftschläge richteten sich Medienberichten zufolge unter anderem gegen die Khondab-Anlage, den ehemaligen Schwerwasserreaktor von Arak, der nach jahrelangem Stillstand seit Kurzem wieder im Aufbau begriffen ist. Die IAEA bestätigte den Angriff, konnte jedoch beruhigen: Die Anlage war nicht in Betrieb, enthielt keine spaltbaren Materialien – es gebe daher keinerlei radiologische Effekte. Dennoch: Dass Israel offen Nuklearziele in Iran attackiert und dabei sogar eine internationale Behörde über den Angriff informiert, ist bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist, dass die IAEA diese Information ohne jede politische Wertung öffentlich teilt – ein Hinweis darauf, dass Transparenz in Zeiten wachsender Kriegsgefahr zum entscheidenden Instrument geworden ist.
Für Iran aber ist jeder Angriff ein willkommener Anlass, sich selbst in die Rolle des unschuldigen Opfers zu rücken – trotz jahrzehntelanger Verstöße gegen das Atomabkommen, heimlicher Urananreicherung und fortlaufender Drohungen gegen Israel. Dass Baghaei nun ausgerechnet Rafael Grossi beschuldigt, die IAEA in ein Werkzeug westlicher Aggression verwandelt zu haben, ist ein gefährliches Manöver: Es soll von der Tatsache ablenken, dass sich das iranische Atomprogramm seit Jahren der internationalen Kontrolle entzieht. Und es ist ein Angriff auf die Glaubwürdigkeit einer Institution, die für die nukleare Stabilität der Weltgemeinschaft eine zentrale Rolle spielt.
In Wahrheit steht die IAEA vor einem Dilemma. Sie muss den Spagat bewältigen zwischen technischer Neutralität und politischer Realität – und sich gleichzeitig gegen die Vorwürfe beider Seiten verteidigen. Während Israel seit Jahren Transparenz über Irans atomare Ambitionen fordert, verlangt Teheran nun Loyalität und Schutz vor Konsequenzen. In diesem toxischen Umfeld bleibt der IAEA kaum eine andere Wahl, als nüchtern die Fakten zu benennen – und genau das tut sie. Wer das als Parteinahme missversteht, zeigt nur, wie sehr er die Regeln des multilateralen Miteinanders bereits missachtet hat.
Iran inszeniert sich gern als Opfer – und setzt auf gezielte Empörung, um eigene Regelverstöße zu kaschieren. Doch die internationale Gemeinschaft sollte sich nicht täuschen lassen. Die eigentliche Gefahr liegt nicht in der Wortwahl eines IAEA-Direktors. Sie liegt in einem Regime, das weiter auf Zeit spielt, während es seine Nuklearfähigkeit systematisch ausbaut – und der Welt weismachen will, es habe nichts zu verbergen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By IAEA Imagebank - Rafael Mariano Grossi (01313943), CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=87986753
Artikel veröffentlicht am: Donnerstag, 19. Juni 2025