Zwischen Anfeindung und Sehnsucht: Warum Griechenland trotz antisemitischer Vorfälle das Topziel für Israelis bleibt


Hundert Demonstrationen gegen Israel, wachsende antisemitische Vorfälle – und dennoch buchen Israelis Griechenland für die Feiertage so stark wie nie. Was hinter dem Widerspruch steckt.

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Es wirkt widersprüchlich und erzählt zugleich viel über das Verhältnis zwischen Israelis und Griechenland: Während Anfang August in Athen, Thessaloniki und an anderen Orten unter dem Motto „Tag des Zorns“ rund hundert antiisraelische Kundgebungen stattfanden, bleibt das Land das mit Abstand begehrteste Urlaubsziel für israelische Familien in den kommenden Feiertagen.

Viele Reisende berichteten nach den Sommerferien von unschönen Erlebnissen: Beschimpfungen, Anfeindungen in Bars und sogar kleine tätliche Angriffe – klar antisemitisch motiviert. Die Bilder von israelfeindlichen Parolen an Häuserwänden gingen durch soziale Netzwerke. Eigentlich Grund genug, die Nachfrage einbrechen zu lassen. Doch die Realität sieht anders aus.

Tourismusveranstalter verzeichnen einen regelrechten Ansturm. Reisebüros melden, dass Inseln wie Rhodos, Kreta, Kos, Korfu und Santorin zu den meistgebuchten Destinationen für September gehören. „Nach einer kurzen Delle im August sehen wir inzwischen eine Rückkehr auf Rekordniveau“, erklärt die Geschäftsführerin einer großen Vermittlungsplattform. Entscheidend seien gesunkene Preise nach der Hochsaison und das stabile Spätsommerwetter.

Der durchschnittliche Preis für eine Pauschalreise liegt aktuell bei etwa 780 Dollar (rund 718 Euro) pro Person, bei Familien sogar etwas niedriger bei etwa 740 Dollar (rund 681 Euro). Wer früh bucht, findet Komplettpakete ab 400 Dollar (rund 368 Euro). Damit ist Griechenland nicht nur wegen seiner Nähe, sondern auch aus finanziellen Gründen unschlagbar.

Die Diskrepanz zwischen politischem Klima und touristischer Attraktivität wirft Fragen auf. Einerseits verschärft sich in Griechenland seit Monaten der Ton gegen Israel, angeheizt von radikalen Gruppierungen und linken wie rechten Rändern. Andererseits zeigt sich: Für viele Israelis überwiegen Pragmatismus und Gewohnheit. Griechenland gilt als sicher, unkompliziert, vertraut.

Die meisten, die dort ihren Urlaub verbringen, berichten ohnehin von Gastfreundschaft und Alltag fernab der Demonstrationen. Antisemitische Vorfälle bleiben beängstigend, aber im Verhältnis zur Masse an Touristen begrenzt. So entsteht eine paradoxe Normalität: Während auf den Straßen Parolen gegen Israel gerufen werden, füllen sich die Strände mit israelischen Familien, die Abstand von Krieg und Anspannung suchen.

Das Nebeneinander von politischer Feindseligkeit und wirtschaftlicher Abhängigkeit zeigt die Widersprüche im Verhältnis Griechenlands zu Israel. Tourismus ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, und die israelischen Besucher sind für viele Regionen unverzichtbar. Ob sich das fragile Gleichgewicht hält, hängt auch davon ab, ob die griechische Politik den zunehmenden Antisemitismus auf ihren Straßen ernsthaft bekämpfen will – oder ob er weiter als lästiges, aber toleriertes Phänomen stehen bleibt.

Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: Instagram

Artikel veröffentlicht am: Montag, 8. September 2025

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