Handelskrieg gegen Israel? Der nächste diplomatische Irrweg aus Brüssel
Die EU plant Strafmaßnahmen gegen Israel – trotz steigender Hilfslieferungen nach Gaza. Ein geleakter Bericht zeigt: Die Union will handeln, nicht helfen. Der israelisch-europäische Partnerschaftsvertrag steht auf der Kippe.

Die diplomatische Kluft zwischen Brüssel und Jerusalem vertieft sich erneut. Während Israel sich bemüht, humanitäre Zugänge in den Gazastreifen weiter zu öffnen, bereitet sich die Europäische Union auf eine außenpolitische Strafaktion vor. Ein interner Entwurf des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), der dem Magazin Politico zugespielt wurde, listet ein ganzes Arsenal an möglichen Maßnahmen gegen den jüdischen Staat – von symbolischen Gesten bis hin zu einem Bruch des wichtigsten Vertragswerks zwischen beiden Seiten: dem Assoziierungsabkommen von 2000.
Was dort zur Diskussion steht, ist mehr als diplomatische Folklore. Es geht um wirtschaftliche, wissenschaftliche und politische Kooperationen, um Handelsvorteile, Forschungsgelder, Dialogformate – kurz: um das gesamte Fundament der israelisch-europäischen Zusammenarbeit. Und es geht um eine bedrohliche Grundhaltung, die Israel immer häufiger mit doppelten Maßstäben misst, ungeachtet realer Sicherheitsinteressen oder geopolitischer Realitäten.
Zwischen Sanktionen und Symbolpolitik
Die Diskussion im Europäischen Rat, die kommende Woche unter den Außenministern der 27 Mitgliedstaaten stattfinden soll, basiert auf einem Papier, das Israel schwerwiegende Menschenrechtsverstöße vorwirft – unter Berufung auf Artikel 2 des Assoziierungsabkommens. Brüssel kritisiert vor allem den Einsatz militärischer Mittel in dicht besiedelten Gebieten sowie Einschränkungen bei Lieferungen in den Gazastreifen.
Dabei ist diese Kritik nicht nur einseitig, sondern ignoriert auch die dramatischen Umstände, unter denen Israel seit dem 7. Oktober 2023 agiert: Nach dem schlimmsten Massaker an Juden seit der Schoah und unter anhaltendem Raketenbeschuss aus Gaza agiert Israel zur Verteidigung seiner Bevölkerung und im Bemühen, die Hamas dauerhaft zu entwaffnen.
Trotz dieser sicherheitspolitischen Notlage denken die EU-Institutionen laut über drastische Schritte nach. Im Raum stehen u. a.:
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Eine vollständige Aussetzung des Assoziierungsabkommens – politisch unwahrscheinlich, da hierfür Einstimmigkeit unter den Mitgliedsstaaten erforderlich wäre. Länder wie Ungarn, Deutschland, Tschechien oder Bulgarien gelten als verlässliche Partner Israels und dürften ein Veto einlegen.
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Ein Einfrieren des politischen Dialogs – ebenfalls konsenspflichtig, jedoch von symbolischer Tragweite.
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Ein Ende der Handelserleichterungen für israelische Produkte – ein Szenario mit erheblicher Wirkung, da es mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden könnte und israelische Exporte empfindlich treffen würde.
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Ein Verbot des Imports von Produkten aus Judäa und Samaria – politisch kaum durchsetzbar auf EU-Ebene, aber durchaus nationalstaatlich möglich. Einzelne Länder wie Irland sind hier bereits eigenständig vorprescht.
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Ein Ausschluss Israels aus Forschungs- und Bildungsprogrammen wie „Erasmus+“ und „Horizon Europe“ – ein Schlag, der vor allem die israelische Wissenschaftslandschaft treffen würde.
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Die Einschränkung technischer und bilateraler Kooperationen – ein schleichender, aber spürbarer Rückzug aus der Zusammenarbeit.
Brüsseler Druck, Jerusalemer Realität
Die Initiative für diesen Vorstoß geht auf eine Entscheidung des EU-Gipfels vom Juni zurück, in dem die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas den Auftrag erhielt, „praktikable und wirksame Optionen“ für eine politische Reaktion auf Israels Vorgehen in Gaza vorzulegen – auch ohne Einstimmigkeit. Offenbar drängt ein Teil der europäischen Staatengemeinschaft auf konkrete Maßnahmen, um den jüdischen Staat zur Linie Brüssels zu zwingen.
Besonders bitter: Die Eskalation kommt just in dem Moment, in dem Israel der Forderung nach einer erheblichen Ausweitung humanitärer Hilfe nach Gaza nachgekommen ist. Premierminister Netanyahu hatte einer drastischen Erhöhung der Lieferungen zugestimmt – und dennoch will die EU nun prüfen, „wie Israel bestraft werden kann“.
Der Verdacht liegt nahe, dass es hier nicht um konkrete Menschenrechtsfragen geht, sondern um eine ideologisch motivierte Straflust. Dass die Hamas bis heute Geiseln festhält, UN-Einrichtungen missbraucht und die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde instrumentalisiert, scheint für viele EU-Staaten weniger relevant als Israels Selbstverteidigung.
Solidarität trotz Druck
Trotz des diplomatischen Trommelfeuers bleibt Israel nicht ohne Unterstützung. Ein Drittel der EU-Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland, Ungarn, Tschechien, Italien, Litauen, Zypern und Griechenland – hatten bereits im Mai eine Neuverhandlung des Assoziierungsabkommens abgelehnt. Es ist anzunehmen, dass sie auch gegen die jetzt zur Debatte stehenden Maßnahmen ihre Stimme erheben werden.
Allerdings hat sich das politische Klima verschoben. Selbst Bundeskanzler Friedrich Merz, ein langjähriger Unterstützer Israels, ließ zuletzt Kritik am Vorgehen in Gaza anklingen – ein Signal, das in Jerusalem aufmerksam registriert wurde. Noch hat die Bundesregierung keinen Kurswechsel vollzogen, doch der Ton wird kühler.
Ein beunruhigender Trend
Die israelische Führung sieht in dem Vorstoß einen gefährlichen Präzedenzfall: Wenn das einzige demokratische Land im Nahen Osten für die Verteidigung seiner Bürger international isoliert wird, während Terrororganisationen wie die Hamas weitgehend unbehelligt bleiben, dann läuft etwas grundsätzlich falsch im westlichen Wertesystem.
Israel hat – trotz aller militärischen Herausforderungen – klare Schritte unternommen, um humanitäre Katastrophen zu vermeiden, internationale Forderungen umzusetzen und ziviles Leid zu mindern. Wer dennoch Sanktionen fordert, verlässt den Boden der fairen Kritik und bewegt sich in Richtung politisch motivierter Maßregelung.
Die Debatte der EU-Außenminister nächste Woche wird zeigen, ob Vernunft und Verantwortung siegen – oder ob Brüssel sich endgültig von der Realität im Nahen Osten abkoppelt.
Autor: Redaktion
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Artikel veröffentlicht am: Freitag, 11. Juli 2025