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Anne Frank mit Palästinenser-Tuch: Wenn Kunst zur Geschichtsentstellung wird


Ein Bild von Anne Frank mit Kufiya sorgt in Potsdam für Entsetzen, Ermittlungen und eine überfällige Debatte. Der Fall zeigt, wie unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit antisemitische Narrative normalisiert und die Shoah politisch instrumentalisiert werden.

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Es ist ein Motiv, das schmerzt, provoziert und eine rote Linie überschreitet. In einem Potsdamer Museum wird Anne Frank, das wohl bekannteste Opfer des nationalsozialistischen Judenmordes, mit einem Palästinenser-Tuch dargestellt. Nicht als historische Figur, sondern als politische Projektionsfläche. Die Reaktionen darauf sind eindeutig: Empörung, Wut, Entsetzen. Und inzwischen auch strafrechtliche Ermittlungen.

Das Werk mit dem Titel „Anne“ ist Teil der Ausstellung „Comune – Das Paradox der Ähnlichkeit im Nahostkonflikt“ im Museum Fluxus+ Museum. Geschaffen wurde es vom in Berlin lebenden Künstler Costantino Ciervo. Zu sehen ist Anne Frank am Schreibtisch, vor sich ein Tablet, um die Schultern eine Kufiya. Ein Bild, das bewusst historische Ebenen vermischt und dabei einen der sensibelsten Bezugspunkte jüdischer Geschichte politisiert.

Anne Frank als politische Chiffre

Anne Frank steht nicht abstrakt für Leid. Sie steht konkret für die Shoah, für die industrielle Vernichtung europäischer Juden. Wer dieses Symbol nutzt, um aktuelle politische Konflikte zu kommentieren, verlässt den Raum legitimer Kritik und betritt den der Geschichtsentstellung. Genau das ist der Kern der Kritik, die von jüdischen Organisationen, Historikern und der israelischen Botschaft geäußert wird.

Die israelische Vertretung in Berlin wirft dem Künstler vor, den Holocaust zu relativieren und Israel zu delegitimieren. Der Vorwurf wiegt schwer, ist aber keineswegs aus der Luft gegriffen. Denn das Bild transportiert eine bekannte, hochproblematische Erzählung: die Umkehr von Täter und Opfer. Juden erscheinen darin implizit als neue Täter, Palästinenser als neue Anne Franks. Dieses Narrativ ist kein künstlerisches Neuland, sondern ein klassisches antisemitisches Muster.

Kunstfreiheit endet nicht im luftleeren Raum

Ciervo verteidigt sich mit dem Hinweis auf Kunstfreiheit und spricht von Zensur. Er beruft sich auf eine moralische Verantwortung Europas und betont, Leid kenne keine Hierarchie. Doch genau hier liegt das Problem. Die Shoah ist kein austauschbares Leidenssymbol. Sie ist ein historisch singuläres Verbrechen. Wer diese Singularität verwischt, relativiert nicht nur Geschichte, sondern verletzt auch die Überlebenden und ihre Nachkommen.

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Brandenburg Andreas Büttner bezeichnete die Ausstellung als hochproblematisch. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Volker Beck ging einen Schritt weiter und stellte Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun, ob der Tatbestand der Volksverhetzung oder der Holocaustverharmlosung erfüllt ist.

Das Schweigen über Hamas

Auffällig ist zudem, was im künstlerischen Narrativ fehlt. Der 7. Oktober, das Massaker der Hamas, der antisemitische Vernichtungswille der Terrororganisation, all das spielt in der Darstellung keine Rolle. Stattdessen wird der Gazakrieg isoliert betrachtet, losgelöst von seinem Auslöser. Diese Ausblendung ist kein Zufall, sondern Teil eines politischen Framings, das Verantwortung verschiebt und antisemitische Deutungsmuster verstärkt.

Kein Dialog auf Kosten jüdischer Erinnerung

Das Museum verweigert bislang, das Bild abzuhängen. Man beruft sich auf Debatte, Dialog und Offenheit. Doch Dialog ist kein Selbstzweck. Er darf nicht auf Kosten jüdischer Erinnerungskultur geführt werden. Anne Frank ist kein leeres Symbol, das sich beliebig neu einkleiden lässt. Sie ist ein Mahnmal gegen Judenhass. Wer dieses Mahnmal instrumentalisiert, beschädigt nicht nur die Geschichte, sondern auch das gesellschaftliche Fundament, auf dem Erinnerung und Verantwortung beruhen.

Der Fall Potsdam zeigt, wie brüchig diese Fundamente geworden sind. Unter dem Etikett der Kunstfreiheit werden antisemitische Narrative salonfähig gemacht. Dass der Staat hier genau hinschaut, ist kein Angriff auf Kunst, sondern eine notwendige Verteidigung historischer Wahrheit.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: By museum FLUXUS+, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90732039

Artikel veröffentlicht am: Dienstag, 23. Dezember 2025

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