Palantir für ganz Deutschland? Warum Dobrindts Überwachungsfantasie ein Angriff auf unsere Freiheit ist


Analyse-Software aus dem Hause CIA, ein Minister, der sie für alle durchsetzen will – und eine Gesellschaft, die sich leise an den Zustand völliger Kontrolle gewöhnt. Der flächendeckende Einsatz von Palantir erinnert nicht nur an Orwell. Er ist das, wovor Orwell gewarnt hat.

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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) prüft ernsthaft, die umstrittene Software des US-Sicherheitsunternehmens Palantir bundesweit in deutschen Behörden einzuführen. Das bestätigte eine Sprecherin des Innenministeriums gegenüber dem Magazin Stern. Die Analyse- und Überwachungsplattform, einst entwickelt mit Geldern der CIA, wird damit zum Prüfstein für die Frage, ob wir Bürger in einem demokratischen Staat leben – oder in einem System, das sich immer mehr der totalen Kontrolle verschreibt.

Schon heute wird Palantir in mehreren Bundesländern eingesetzt, darunter Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und bald auch Baden-Württemberg. Weitere könnten folgen. Die Software analysiert riesige Datenmengen, verbindet Informationen aus Social Media, Telefonverbindungen, Bewegungsprofilen, Texten, Bildern und sogar biometrischen Quellen – und gibt den Behörden automatisierte Handlungsempfehlungen. Sie entscheidet mit, wer verdächtig ist – ohne dass der Verdächtigte es je erfährt.

Der Mensch wird zur Datei – und der Staat zum Schatten

Kritiker schlagen Alarm. SPD-Innenexperte Johannes Schätz warnt: „Palantir ist kein neutraler Anbieter, sondern ein geopolitischer Akteur mit klarer Agenda.“ Auch der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz spricht von einem gefährlichen Präzedenzfall: Dobrindt agiere wie ein „Lobbyist eines hochumstrittenen US-Unternehmens“, dessen Wurzeln in der US-Geheimdienstszene liegen. Gerade jetzt, da sich die USA unter Präsident Donald Trump zunehmend von rechtsstaatlichen Prinzipien entfernen, sei blinder Technikimport ein Sicherheitsrisiko für Deutschland selbst.

Denn Palantir ist nicht einfach ein IT-Dienstleister. Es ist ein Machtinstrument. Gegründet 2003 mit Kapital der CIA-Tochter In-Q-Tel und des umstrittenen Trump-Verbündeten Peter Thiel, sieht sich das Unternehmen als Vorreiter einer neuen Ära der „prädiktiven Sicherheit“. Die Idee: Verbrechen, Terrorismus oder Extremismus sollen erkannt und verhindert werden, bevor sie geschehen. Doch was nach Science-Fiction klingt, ist in Wahrheit eine gefährliche Entgrenzung staatlicher Macht.

Orwell war keine Anleitung – sondern eine Warnung

Was in Gotham, dem Spitznamen der Palantir-Software, passiert, geschieht im Verborgenen. Die Bürger wissen nicht, welche Daten über sie gesammelt werden. Sie erfahren nicht, nach welchen Kriterien sie erfasst oder bewertet werden. Und sie können sich nicht wehren. Datenschützer sprechen von einer Blackbox, die jeden rechtsstaatlichen Grundsatz aushebelt – vor allem den der Transparenz und Rechenschaft.

Noch beunruhigender: Auch unabhängige Fachleute schlagen Alarm. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz, das den Einsatz von Palantir dort legitimiert, Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der Vorwurf: Das System verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und öffnet der Massenüberwachung Tür und Tor.

Und es geht nicht nur um rechtliche Prinzipien. Es geht um ein Menschenbild. Wer Sicherheit durch Vollüberwachung ersetzen will, betrachtet den Bürger nicht als Souverän – sondern als potenziellen Täter. Die Unschuldsvermutung wird zur Verwaltungsfloskel, die Freiheit zur Kulisse.

Orwell schrieb seinen Roman 1984 als Warnung, nicht als Handbuch. Aber wenn staatliche Behörden in Echtzeit alle digitalen Spuren der Bevölkerung analysieren können, wenn Bewegungsmuster, Chats, Kontakte und Suchanfragen zu Risikoprofilen verdichtet werden, dann stehen wir genau an der Schwelle zu jenem dystopischen Zustand, den Orwell „Airstrip One“ nannte.

Privatsphäre wird zur Ausnahme – nicht zur Regel

Palantir ist ein Gamechanger. Nicht nur für die Polizeiarbeit, sondern für das gesellschaftliche Gefüge. Der Traum vom gläsernen Bürger ist keine düstere Vision mehr – er wird Realität. Wenn ein System in der Lage ist, 84 Millionen Menschen dauerhaft unter algorithmischen Verdacht zu stellen, dann ist Privatsphäre kein Bürgerrecht mehr, sondern ein Schönwetterprivileg.

Die Verknüpfung all dieser Daten – von Krankenkasseninformationen bis hin zu Einkaufsverhalten und politischen Aktivitäten – schafft nicht Sicherheit, sondern Angst. Denn wer weiß, dass alles gespeichert, alles interpretiert und alles gegen ihn verwendet werden kann, wird sich anpassen. Er wird weniger sagen, weniger fordern, weniger demonstrieren. Genau das ist der schleichende Verlust von Freiheit.

Alexander Dobrindt muss sich fragen lassen: Welche Vision von Gesellschaft verfolgt er? Eine Republik, in der Bürgerrechte gelten – oder eine Technokratie, in der Software entscheidet, wer frei ist und wer nicht?

Fazit: Es geht nicht um Technik. Es geht um Macht. Und um das Vertrauen in den Staat. Wenn wir heute zulassen, dass Systeme wie Palantir ohne volle Transparenz, demokratische Kontrolle und juristische Schranken zum Standard werden, dann werden wir morgen aufwachen in einem Land, das wir nicht mehr wiedererkennen.

Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Harald Bischoff - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35277810

Artikel veröffentlicht am: Mittwoch, 30. Juli 2025

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